Tirtza, 57, findet, ihre Mutterschaft habe ihrem Leben nichts hinzugefügt - außer Schwierigkeiten und ständige Sorge. Charlotte, 44, sagt, sie ziehe aus ihrer Mutterrolle keinerlei emotionalen Gewinn. Muttersein "sei halt die Auseinandersetzung mit dem nunmehr Unvermeidbaren". Und Atalya, 45, beklagt, sie könne einfach nicht verstehen, was andere Mütter meinten, wenn sie von ihren Glücksgefühlen sprächen. Sie empfinde Muttersein als eine Bürde.
Diese Äußerungen stammen aus einer wissenschaftlichen Studie der Israelin Orna Donath (Signs: Journal of Women in Culture and Society). Die Soziologin von der Universität Tel Aviv hat 23 israelische Mütter im Alter von Mitte zwanzig bis Mitte 70 in intensiven Interviews zu ihren Gefühlen gegenüber der eigenen Mutterrolle befragt. Der Großteil der Frauen stammte aus der Mittelschicht, manche hatten ein Kind, andere mehrere, manche waren alleinerziehend, andere nicht. Das Alter der Kinder lag zwischen einem und 48 Jahre, einige waren also schon erwachsen und zum Teil selbst Eltern.
Nur ein einziges gemeinsames Kriterium war es, nach dem Donath die Studienteilnehmerinnen ausgewählt hatte. Allen stellte sie die Frage: "Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie dann noch einmal Mutter werden, mit dem Wissen, das Sie heute haben?" Was die Mütter in der Studie vereinte, war ihre Antwort auf diese Frage: "Nein".
Vor der industriellen Revolution gingen Vater, Mutter und Kinder gemeinsam aufs Feld
Die Wissenschaftlerin untersucht ein Phänomen, das sie "regretting motherhood" nennt. Übersetzt heißt das so viel wie "die Mutterschaft bereuen". Donath widmet sich in ihrer Forschung Frauen, die bewusst Mutter geworden sind und von sich sagen, sie liebten ihr Kind oder ihre Kinder - die sich gleichzeitig aber in ihrer Mutterrolle so unglücklich fühlen, dass sie den Schritt, ein Kind bekommen zu haben, zutiefst bereuen. Nicht nur in den ersten schwierigen Wochen und Monaten nach der Geburt, sondern nachhaltig, bis in das Erwachsenenalter der Kinder hinein. Und zwar so sehr, dass sie die Geburt ihrer Kinder rückgängig machen würden, wenn sie nur könnten.
Mit dieser Forschung steht Donath allein auf weiter Flur: Das Phänomen wird wissenschaftlich kaum untersucht. In der Entwicklungspsychologie beispielsweise wird eher zum Thema pränatale Angst oder postnatale Depression von Frauen geforscht. Auch in der Soziologie und der Anthropologie hat man die bereute Mutterschaft nie groß verfolgt. Langzeitstudien und quantitative Untersuchungen fehlen bisher.
Dabei deutet vieles darauf hin, dass in den seltensten Fällen alles rosig wird, sobald die Mutter ihr Baby im Arm hält. So haben soziologische Studien längst belegt, dass Kinder sich nicht zwingend positiv auf die Zufriedenheit ihrer Eltern auswirken. Zu diesem Schluss kam zum Beispiel eine 2013 vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung veröffentlichte Umfrage unter knapp 4900 Frauen und Männern zwischen 25 und 37 Jahren. Demnach sind Eltern nur bis zum vierten Lebensjahr des jüngsten Kindes zufriedener als Kinderlose. Und auch im Internet findet man betroffene Frauen, die sich in Foren über zwiespältige Gefühle äußern.