Lebenszufriedenheit von Eltern:Die Wiege des Glücks

Umfrage: Auch Väter wollen Kinder betreuen

Kleines Kind, großes Glück. Für die meisten deutschen Familien trifft diese Formel zu.

(Foto: dpa)

Machen Kinder glücklich? Die meisten Deutschen erleben es als Erfüllung, Eltern zu werden. Erleichterungen, die der Staat ihnen zukommen lässt, steigern die Zufriedenheit zusätzlich. Warum werden dann so wenige Babys geboren?

Von Berit Uhlmann

Haben Sie gestern gelacht? Vor Verärgerung die Zähne zusammengepresst? Wer in beiden Fällen nickt, hat wahrscheinlich Kinder. Ob im namibischen Dorf ein Baby seine Mutter anlächelt oder im Münchner Altbau ein Junge die Großpackung Filzstifte an der Wohnzimmerwand ausprobiert: Der Nachwuchs macht das Leben bunt, in positiver wie negativer Hinsicht.

Dies ist noch das aussagekräftigste Ergebnis einer kürzlich erschienenen Studie, für die US-Wissenschaftler die Daten von fast drei Millionen Menschen aus 161 Ländern ausgewertet haben. So stattlich die Zahl der Teilnehmer, so wenig Klarheit bringt die Analyse in der Frage, ob Kinder nun mehr Glück oder doch mehr Anstrengung bedeuten. Gemittelt über arme wie reiche Länder, über Staaten mit und ohne Zugang zu Verhütungsmitteln kam am Ende heraus, dass es für die Zufriedenheit weitgehend egal ist, ob der Mensch mit oder ohne Nachkommen lebt.

Ein universelles Glücksrezept sind Kinder auch dann nicht, wenn man nur die Situation in den wohlhabenden westlichen Ländern untersucht. Nach einer Erhebung belgischer Wissenschaftler aus dem vergangenen Jahr haben kleine Kinder in diesen Staaten keinen Einfluss auf die allgemeine Lebenszufriedenheit ihrer Eltern. Positive wie negative Empfindungen halten sich die Waage - bis der Sprössling das Schulalter erreicht. An diesem Punkt sinkt die Zufriedenheit der Eltern.

Nun ist die Elternschaft ein so individuelles Thema, dass jeder Versuch, die Empfindungen auf einen Nenner zu bringen, irgendwo hakt. So gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Ländern. Mikko Myrskylä von der London School of Economics und Rachel Margolis von der University of Western Ontario haben nun Daten von mehr als 4500 Deutschen ausgewertet, die im Beobachtungszeitraum von zwölf Jahren Eltern wurden. Und zumindest diese scheint der Nachwuchs glücklich zu machen, besagt die demnächst im Fachjournal Demography erscheinende Studie.

Ältere Eltern sind glücklicher

Auf einer Skala von null bis zehn stieg die Lebenszufriedenheit junger Eltern um einen halben Punkt. Ähnlich stark wirken sich - mit umgekehrten Vorzeichen - auch Scheidung oder plötzliche Arbeitslosigkeit aus. Und doch ist dies nur die halbe Wahrheit, denn so richtig geht das Herz nur beim ersten Kind auf. Nach der zweiten Geburt schwingt sich das Glück nicht mehr in große Höhen. Und beim dritten Kind können Eltern froh sein, wenn es mit ihrer Stimmung nicht bergab geht.

Wie sehr Kinder beglücken, hängt außerdem vom Alter der Mütter und Väter ab. Die große Gruppe jener Deutschen, die irgendwann zwischen 23 und 34 Jahren die Elternschaft antreten, erlebt einen Aufschwung des Lebensglücks. Schon lange vor der Geburt steigt ihr Wohlbefinden. Allerdings fällt es, noch bevor der Nachwuchs aus den Windeln heraus ist, wieder auf das Niveau vor der Schwangerschaft. Ein ähnliches Muster hatte bereits eine im vergangenen Jahr erschienene Studie ergeben. Verglichen wurden hier nicht die Empfindungen von Eltern vor und nach der Geburt ihrer Kinder, sondern die Stimmungen von Eltern und Kinderlosen. Deutsche Eltern entpuppten sich dabei als glücklicher als Erwachsene ohne Nachkommen, doch der Unterschied hielt nur bis zum vierten Lebensjahr des Kindes an.

Dennoch gilt auch diese Glückskurve nicht für alle. Wer schon sehr jung Verantwortung für Tochter oder Sohn übernimmt, erlebt das im Durchschnitt eher negativ - und zwar langfristig, ergab die Auswertung von Myrskylä. Wer hingegen sein erstes Kind mit 35 Jahren oder später bekommt, erfährt ein größeres und anhaltendes Glücksgefühl.

So spricht aus emotionaler Sicht nichts dagegen, dass immer mehr Frauen ihren Kinderwunsch aufschieben, bis die Ausbildung beendet, die Karriereleiter ein Stück weit erklommen, die finanzielle Lage robust und die soziale Einbettung perfekt ist. Sie riskieren damit allerdings, dass in diesen Lebensplan nur noch ein Kind, bei großem Pech gar keins mehr passt. So stellt sich angesichts der Komplexität des Themas die Frage, ob die relativ simplen, finanziellen Anreize in der Familienpolitik vieler Länder überhaupt eine Chance haben. Macht Geld einen Eindruck auf die Durchschnittsfamilie?

Bei den meisten Familien sinkt das verfügbare Einkommen, wenn Kinder versorgt werden müssen. Doch einen Effekt auf die Lebenszufriedenheit der Paare konnte Myrskylä nicht feststellen. "Wir haben keine Erklärung dafür", kommentiert er. Ein Faktor könne sein, dass Eltern sich von vornherein auf die veränderten Einkommensverhältnisse eingestellt haben.

Mehr Geld, mehr Zufriedenheit

Dagegen scheint ein Plus in der Kasse die Stimmung zu heben. Wer nach der Einführung des Elterngeldes 2007 ein Kind bekam, war im Schnitt etwas zufriedener als diejenigen, die schon vorher Eltern wurden, hat Myrskylä festgestellt. Eine größere Zufriedenheit bescherte Familien auch der 2007 begonnene Ausbau von Betreuungsplätzen für unter Dreijährige, fand Christian Schmitt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin heraus. Doch Zufriedenheit hin oder her, letztlich dümpelt die Geburtenrate in Deutschland seit mehr als 15 Jahren bei knapp 1,4 Kindern pro Frau.

Schmitt bezweifelt, dass einzelne Instrumente der Familienförderung kurzfristige Auswirkungen auf die Geburtenrate erwarten lassen. Im Bündel wirken Maßnahmen umso schlechter, je unkoordinierter sie erfolgen, sagt er. Die Länder mit der niedrigsten Geburtenrate hätten als Gemeinsamkeit nur ein relativ traditionelles Familienbild sowie "eine Familienpolitik, die statt einem klaren Leitbild sehr unterschiedlichen, mitunter widersprüchlichen Zielen folgt".

In Deutschland wird einerseits auf das Elterngeld, anderseits auf das Betreuungsgeld gesetzt und gleichzeitig auch eine hohe Bildung von Frauen gefördert - Anreize in verschiedene Richtungen. "Erst wenn Familie und Beruf besser vereinbar sind, und die Menschen dies auch verinnerlicht haben, ist mit einer Auswirkung auf die Fertilitätsentwicklung zu rechnen", so Schmitt.

So wie in Schweden, wo die Familienpolitik vor allem auf die Gleichstellung der Geschlechter abzielt. "Das entlastet die Frauen und wirkt sich so auch auf die Geburtenrate aus", erläutert Schmitt. Die Fertilitätsrate liegt dort bei 1,9 Kindern pro Frau.

Führt also all das in Deutschland ausgegebene Geld nur dazu, dass Mütter schickere Kinderwagen vor sich herschieben und sich dabei ein bisschen behaglicher fühlen? Myrskylä will den Effekt der Lebenszufriedenheit nicht unterschätzt wissen. Wenn Kinderlose zufriedenen Eltern begegnen, die von Unterstützungsmaßnahmen profitieren, entscheiden sie sich möglicherweise eher zur Familiengründung. Und schließlich gibt es zumindest eine Gruppe, denen die Zufriedenheit junger Eltern zugutekommen dürfte: den Kindern dieser Mütter und Väter.

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