Bis zu 40.000 Artikel liegen in einem durchschnittlichen deutschen Supermarkt aus. Welche taugen etwas? Was nützt, was schadet der Gesundheit? Wie sinnvoll sind Bio-Nahrungsmittel und welche Werbefallen stellt die Lebensmittelindustrie dem Konsumenten? In dieser Serie bewerten wir weit verbreitete Lebensmittel für Sie. Teil 24: Tee.
Für die einen ist er Garant für Genuss und Langlebigkeit, andere trinken Tee nur, wenn die Kaffeebüchse unerwartet leer ist. Und dennoch: Selbst die, denen grüner Tee ungefähr so schmeckt, wie ein Hasenstall riecht, fühlen sich verpflichtet, wenigsten hin und wieder ein Tässchen zu schlürfen. Gerade der unfermentierte Grüntee soll schließlich so gesund sein. Wirklich sinnvoll dürfte die gelegentliche Alibi-Tasse jedoch nicht sein. Wenn überhaupt, hat Tee wahrscheinlich nur in ordentlichen Mengen einen Effekt.
Profitieren vom Teekonsum könnte möglicherweise die Herzgesundheit. Der Kardiologe Mario Lorenz, der an der Berliner Charité zu den Wirkungen des Heißgetränks forscht, spricht von "einigen vielversprechenden Hinweisen auf schützende Eingenschaften von Tee". Mehrere Studien zeigten, dass Tee den Blutdruck und das als schädlich geltende LDL-Cholesterin senken könne. Allerdings gab es bis 2013 nur elf aussagekräftige Interventionsstudien mit insgesamt weniger als tausend Teilnehmern. Ein Beweis steht also noch aus. Ebenso eine Erklärung, was genau den positiven Effekt hervorruft. Eine Rolle aber dürften die Flavanole spielen, die auch im Kakao enthalten sind, und wahrscheinlich die Blutgefäße flexibel halten.
Noch unklarer wird es, wenn man nach einer Anleitung für das Teetrinken fragt. "Darüber, ob grüner Tee besser ist als schwarzer, gibt es unterschiedliche Meinungen", sagt Lorenz. "Nach unseren Studien besitzen sowohl grüner als auch schwarzer Tee vergleichbare positive Wirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem". Ob Milch im Tee dessen Wirkung beeinflusst , ist ebenfalls umstritten. Und wie viel sollte man trinken, um das Herz zu schützen? Eine Mengenangabe ist schwierig, antwortet der Kardiologe. Als groben Anhaltspunkt nennt er etwa vier bis sechs Tassen pro Tag.
Krebsvorbeugung durch Tee?
Beim Krebs dagegen konzentrieren sich die Forschungen auf den Grüntee. Er enthält besonders große Mengen des Pflanzenhormons ECGC, das eine schützende Wirkung haben könnte. Hinweise haben Forscher für Tumore in Darm, Prostata, Brust und Gebärmutter gefunden. Doch auch bei diesen Erkrankungen dürfte mehr als das gelegentliche Schlückchen Tee vonnöten sein, um einen spürbaren Effekt zu erzielen.
Thomas Seufferlein, Gastroenterologe an der Universität Ulm, leitet die weltweit größte Studie ihrer Art zur Krebsprävention durch Tee. Sie soll erkunden, ob ein Grünteeextrakt bei der Vorbeugung von Darmkrebs hilft. Seine Probanden nehmen täglich Kapseln ein, die einer Menge von vier bis sechs Tassen Tee entsprechen. "Bei dieser Dosis sollte ein Effekt aber keine Nebenwirkung auftreten", begründet der Mediziner die Gabe. Er dämpft zugleich Hoffnungen auf sehr schnelle Erkenntnisse für Teetrinker: Ob das Getränk genauso wirkt wie die Kapseln, werde sich aus seiner Arbeit nicht ohne weiteres ableiten lassen. Denn je nach Sorte und Zubereitungsart variiert die Menge der potenziell wirksamen Inhaltsstoffe - ein Problem, das die gesamte Teeforschung erschwert.
Sicher scheint dagegen zu sein, dass Tee gut verträglich ist. Wer bis zu 1,5 Liter Tee pro Tag trinkt, hat in aller Regel nicht mit ernsthaften Nebenwirkungen zu rechen. "Teetrinker machen nichts falsch", sagt Seufferlein. Wer Tee aber nicht mag, braucht sich nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung nicht zu dessen Genuss zu zwingen. Ein ähnliches Fazit zogen Forscher, die sich mit dem Kaffee beschäftigen: Auch bei diesem Getränk gibt es eine ganze Reihe von Hinweisen auf positive Wirkungen. Kaffee oder Tee? Was die Gesundheit betrifft, steht es zum jetzigen Zeitpunkt eher unentschieden.
Anfängern macht es die Teekultur nicht gerade einfach. Sie stehen ratlos da, wenn Kenner mit der Zunge schnalzen,weil sie auf der Verpackung Kürzel wie "SSFTGFOP" entdecken. Die Buchstaben stehen für einen ganzen Schwall von Adjektiven - "Superior Special Finest Tippy Golden Flowery Orange Pekoe" - von denen die Hälfte Dasselbe bedeutet: irgendwie hochwertig. So heißt auch das "Orange" nicht, dass ein enstprechendes Aroma zugesetzt ist, sondern soll vom niederländischen "Oranje", also königlich herrühren. Die übrigen Adjektive beschreiben die Pflanzenbestandteile im Tee ("Tippy" und "Golden" stehen für besonders viele goldfarbene Blattspitzen, "Flowery" für viele Knospen und "Pekoe" für junge, flaumige Blätter).
Solche Beschreibungen, auch Blattgrade genannt, gibt es in Hülle und Fülle. Muss man beim Teekauf nun Kürzellisten mit sich tragen? Eher nicht. "Die Blattgrade sind etwas typisch indisches, in Japan oder China findet man sie nicht", sagt Marie-Louise Cezanne, die an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften professionelle Teeverkoster ausbildet. Und für Indien gilt: "Die Einteilung in die Blattgrade nimmt jeder Teegarten selbst vor. Es gibt keine verbindliche Regeln, nur grobe Anhaltspunkte", so Cezanne.
Auch die Auslobung als Handpflückung, die als Qualitätsmerkmal gilt, ist nur bedingt aussagekräftig. Denn die Ernte per Hand ist in den meisten Regionen ohnehin Standard. Einzig in Japan werden Pflückmaschinen in größerem Umfang eingesetzt, erklärt Cezanne. Sie allerdings arbeiten ähnlich präzise wie die Arbeiter, die durch die Teegärten streifen.
Skeptisch sind Kenner allerdings bei Teebeuteln. Die winzigen Blattkrümel, die in den Hüllen landen, haben insgesamt eine größere Oberfläche als die Blätter. Schon verhältnismäßig geringe Mengen führen damit zu einem intensiven Aroma. Dies aber bedeute den Verlust der feinen Geschmacksnuancen und damit der Geschmacksvielfalt beim Tee, erläutert die Expertin: "Aus meiner Sicht können Teebeutel nicht mit losem Blatttee mithalten." Wer auf die praktischen Vorteile des Beutels nicht verzichten will, kann in Spezialhandlungen Beutel mit ganzen Blättern kaufen. Ihre Qualität ist in etwa mit der des losen Tees vergleichbar, sagt Cezanne.
Ansonsten tun Laien angesichts der großen Fülle an Teesorten gut daran, sich im Fachgeschäft beraten zu lassen, zu kosten und sich beruhigt auf ihren eigenen Geschmack zu verlassen.
Wie schon beim Kaffee gilt auch beim Tee: Wer sich um die Klimabilanz sorgt, muss nicht zwangsläufig mit dem Finger auf ferne Regionen zeigen. Es kann schon ein Gewinn sein, sich kritisch in der eigenen Küche umzuschauen. Denn ein Großteil des CO2-Ausstoßes entsteht bei der Zubereitung des Tees. Nach einer Analyse der TU Darmstadt macht das Kochen die Hälfte bis zwei Drittel der Emissionen aus. Dabei schneidet das Cerankochfeld deutlich schlechter ab als der Wasserkocher. Wer für ein Tässchen Tee einen Kessel voll Wasser erhitzt, verschlechtert die Bilanz erheblich. Der Transport schlägt sich dagegen nur dann sehr negativ nieder, wenn er per Flugzeug erfolgt.
Einen Beitrag zur Klimabilanz können Verbraucher auch leisten, wenn sie zu Bio-Tee greifen. Denn die in der konventionellen Landwirtschaft gängigen Kunstdünger und Pestizide schlagen besonders negativ zu Buche. Die Pestizidbelastung konventioneller Tees ist in Deutschland vergleichbar mit der sehr vieler Gemüsepflanzen. Dass die Höchstwerte überschritten werden, ist selten, aber nicht ausgeschlossen.
Weiterführende Informationen:
- Wie man Tee perfekt zubereitet: Dafür gibt es sogar eine ISO-Norm. Sie soll bei Verkostungen die Vergleichbarkeit gewährleisten. Alternativ hat die Royal Society of Chemistry ein erprobtes Rezept veröffentlicht,
- Kräutertees: Probleme mit Schadstoffen.
- Alle Teile dieser Lebensmittelserie.