Gleich in zwei Punkten lag der erfolgreiche Film "Das Schweigen der Lämmer" ziemlich daneben: Der 1991 erschienene Streifen machte die Themen Profiling und Serienmord zwar extrem populär. Zugleich sorgte er dafür, dass die Öffentlichkeit nachhaltig einen völlig verzerrten Eindruck von beiden bekam.
Dabei hatte sich Thomas Harris, der Autor der Buchvorlagen für "Das Schweigen der Lämmer" und dessen Vorgänger "Roter Drache" bei den echten Profilern des FBI umgehört. Sowohl die Serientäter, mit denen sie es zu tun hatten, als auch die systematische Arbeit der Beamten waren ihm aber offenbar nicht dramatisch genug.
Der ziemlich außergewöhnliche FBI-Agent Will Graham (Edward Norton) im Remake des Films "Roter Drache" (2002).
(Foto: REUTERS)Mit der Figur Will Graham schuf er in "Roter Drache" deshalb einen ersten fiktiven Profiler, der sich so tief in Serienmörder hineinversetzen kann, dass er selbst psychische Probleme bekommt. Durch diese Darstellung sorgte Harris für den Ruf der FBI-Agenten, sie könnten sich zumindest vorübergehend mit geisteskranken Mördern identifizieren. Seitdem zitieren die Medien mit ermüdender Penetranz Friedrich Nietzsche: "Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein."
Die zweite folgenschwere Entscheidung von Harris war die Erfindung des (fiktiven) kannibalistischen Psychiaters Hannibal Lecter in "Schweigen der Lämmer" - dem inzwischen wohl bekanntesten Serienmörder nach (dem realen, aber bis dato unbekannten Täters mit dem Pseudonym) Jack the Ripper. Seitdem assoziieren viele Menschen den Begriff des Psychopathen auch mit hochintelligenten, scharfsinnigen, gebildeten, kultivierten, ja genialen Mördern.
Vielleicht hilft der aktuelle Dokumentarfilm "Blick in den Abgrund" von Barbara Eder, den Mythos von den Profilern als Ermittlern mit außergewöhnlichen Fähigkeiten zu entzaubern. In ihrem Porträt von sechs Profilern dokumentiert Eder, zu welchen furchtbaren Taten manche Menschen fähig sind, wie die Ermittler ihnen auf die Spur kommen und welche Auswirkungen der Umgang mit den Verbrechen auf deren Leben hat. Und eines ist klar: Kein Profiler wird zu einem Ungeheuer - auch nicht vorübergehend.