Medizinisches Cannabis:Die Pharmabranche hat kaum Interesse an der Forschung

Lesezeit: 5 min

Als am besten belegt gilt die Wirkung gegen die Spastik von MS-Patienten. In der bislang größten Studie zeigte sich das auch in Deutschland zugelassene Nabiximols einem Placebo überlegen - allerdings nur bei 272 von 572 ursprünglich untersuchten Patienten. Der Großteil der Probanden hatte nicht auf das Cannabis angesprochen und wurde nach dem erstem Durchgang aus der Studie entlassen.

Die Wirkung gegen Schmerzen, dem zweiten großen Einsatzbereich, ist nur in kleineren Studien untersucht und erlaubt allenfalls Hinweise auf einen echten Nutzen. Ebenso verhält es sich bei jenen Aids-Patienten, die unter schwerer Appetitlosigkeit leiden und auf bedenkliche Weise abmagern. In den USA ist Cannabis für sie zur Appetitsteigerung zugelassen. Doch die Wissenschaftler der strengen Kriterien verpflichteten Cochrane Collaboration zogen Anfang des Jahres das Fazit: Ein Wirknachweis steht noch aus.

Ist die Hoffnung auf das heilende Gras nur eine Illusion? Diese Deutung wäre zu kurz gegriffen. Vielmehr schlägt sich der Streit um Cannabis auch in der Forschung nieder. In den USA erschweren rechtliche, in Deutschland finanzielle Hürden Tests mit der Droge. Da Cannabis hierzulande als Betäubungsmittel eingestuft ist, gelten besonders strikte Regeln. "Die behördlichen Vorgaben sind so streng, dass allein für das Zusammenstellen aller Genehmigungen 100.000 Euro zusammenkommen können", sagt Kirsten Müller Vahl. Längst nicht jede Forschungseinrichtung kann diese Mittel aufbringen. Die Pharmaindustrie dagegen hat wenig Interesse an der Forschung, da die Pflanzeninhaltsstoffe kaum patentierbar sind.

Eines aber ist auch Befürwortern wie Müller-Vahl klar. "Cannabis ist kein Wundermittel." Es ist eine Therapiemöglichkeit unter vielen für eine begrenzte Anzahl von Patienten wie Ute Köhler. Sie hofft immer noch, ihr Medikament eines Tages auf Rezept zu bekommen. Denn nach wie vor lebt sie mit der Angst, dass ihr Sponsor das Arrangement aufkündigt und ihre Schmerzen zurückkehren: "Ich zittere von Monat zu Monat", sagt die Thüringerin. Diese Furcht begleitet sie seit mittlerweile zwölf Jahren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema