Biologie:Medizin-Nobelpreis geht an Wegbereiter der Corona-Impfstoffe

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Katalin Karikó und Drew Weissman bei einer Preisverleihung im April 2023. (Foto: ARAYA DOHENY/AFP)

Ausgezeichnet werden die ehemalige Biontech-Mitarbeiterin Katalin Karikó aus Ungarn sowie der US-Biochemiker Drew Weissman. Die beiden Forscher hätten mit ihrer mRNA-Forschung zum "beispiellosen Tempo der Impfstoffentwicklung" beigetragen.

Von Juri Auel, Felix Hütten und Sina Metz

Der Nobelpreis für Medizin geht an Katalin Karikó und Drew Weissman. Die beiden Wissenschaftler haben die Grundlagen für mRNA-Impfstoffe geschaffen, die im Kampf gegen Corona eingesetzt worden sind.

Die Forscher wurden von der Nobelversammlung bereits informiert, sie haben sich sehr gefreut, sagte Thomas Perlmann vom schwedischen Karolinska-Institut. "Sie sind überwältigt", so Perlmann bei der Verkündung des Preises.

Katalin Karikó wurde 1955 in der ungarischen Stadt Szolnok geboren und studierte Biologie an der Universität Szeged, wo sie 1982 promoviert wurde. Im Jahr 1989 ging sie als Assistenzprofessorin an die University of Pennsylvania und blieb bis 2013. Im selben Jahr traf sie auf Uğur Şahin, der mit seiner Frau Özlem Türeci die Firma Biontech gegründet hatte. Er habe ihr noch am selben Tag einen Job angeboten, sagte Karikó einst der New York Times; sie nahm ihn an und leitete fortan ein Forschungsteam in der Firma. Nach jahrelanger Zusammenarbeit verließ sie das Unternehmen und ist mittlerweile dessen Beraterin. 2021 kehrte sie an ihre alte Wirkungsstätte zurück und wurde Professorin an der Universität Szeged und außerordentliche Professorin an der Perelman School of Medicine der University of Pennsylvania.

Drew Weissman wurde 1959 in Lexington, Massachusetts, geboren und studierte Biochemie an der Brandeis University. Er absolvierte seine klinische Ausbildung am Beth Israel Deaconess Medical Center an der Harvard Medical School und forschte als Postdoktorand an den National Institutes of Health. Im Jahr 1997 gründete Weissman seine Forschungsgruppe an der Perelman School of Medicine der University of Pennsylvania.

Mit mRNA-Impfstoffen werden nicht Teile des Erregers selbst injiziert

Beide Forscher gelten als Wegbereiter der mRNA-Technologie, die mit den Corona-Impfstoffen weltweite Berühmtheit erlangte. Karikó und Weissman erforschten, wie es gelingen kann, RNA so zu modifizieren, dass das körpereigene Immunsystem sie nicht angreift. Damit legten sie den Grundstein für die spätere mRNA-Impfstoffentwicklung. RNA, also Ribonukleinsäure, ist ein Informationsträger der menschlichen Zelle. Die vermittelte Information der RNA nutzt die Zelle, um bestimmte Proteine herzustellen.

Mit mRNA-Impfstoffen werden nicht Teile des Erregers selbst injiziert, sondern lediglich der Bauplan für Teile des Virus: Im Falle des Pandemie-Virus Sars-CoV-2 das charakteristische Stachelprotein seiner Außenhülle. Körpereigene Zellen bilden nach Anleitung der mRNA dieses Protein aus, ohne den Körper krank zu machen. Das Immunsystem aber erkennt das Spike-Protein als gefährlich und bildet Abwehrmechanismen aus. Damit ist der Mensch gegen Covid-19 besser geschützt. Wie genau diese Technik funktioniert, wird hier im Detail beschrieben.

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Katalin Karikó und Drew Weissman haben mit ihrer Forschung die mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 möglich gemacht. Es begann mit einer Begegnung am Kopierer.

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Die Idee, mRNA zur Impfung zu verwenden, ist mehr als 30 Jahre alt. Die ersten Studien zu nukleinsäurebasierten Immunisierungen stammen aus den 1990er Jahren, als DNA-Impfstoffe und mRNA-Impfstoffe erstmals an Mäusen getestet wurden. Die Überlegung war simpel: Wie kann es gelingen, Impfstoffe auf Nukleinsäurebasis herzustellen, die man flexibel auf bestimmte, vielleicht sogar noch unbekannte Erreger hin ändern kann? Jahre später zog mit Sars-CoV-2 tatsächlich ein solches Virus um die Welt.

Doch bis aus der Theorie Praxis werden konnte, galt es für die Forscher, einige Hürden zu überwinden. So zeigten frühe Experimente unerwünschte Entzündungsreaktionen und eine ineffiziente Proteinproduktion in den Zellen. Die Fortschritte waren anfangs zäh, erste Ergebnisse aus Kleintierstudien ließen sich nicht auf den Menschen übertragen. Karikó und Weissman gelang es schließlich, bestimmte Teile der mRNA so zu verändern, dass sie der Immunerkennung entgeht und sich damit die Proteinexpression verbessert.

Dies führte 2005 zu einer bahnbrechenden Studie, in der sie im Detail beschrieben, wie sich die mRNA für eine therapeutische Anwendung modifizieren lässt. Damit war der Grundstein für die spätere Impfstoff-Entwicklung gelegt.

Bei der Verkündung des Nobelpreises ging das Komitee auch auf die Bedenken vieler Menschen ein, dass die Erforschung der Covid-Impfstoffe womöglich zu schnell ging und zu wenig Sicherheitsprüfungen durchlaufen haben könnte. Die Geschichte der Entwicklung zeige aber, dass die Technik ausreichend untersucht wurde, sagte die Immunologin Gunilla Karlsson Hedestam vom Nobelpreis-Komitee am Karolinska Institut. "Es gab keine Kompromisse bei den Sicherheitsmaßnahmen." Wichtige klinische Tests seien nicht, wie mitunter behauptet wird, ausgelassen worden, so Karlsson Hedestam, sondern liefen parallel ab. Das zu kommunizieren, könne das Vertrauen in die Impfstoffe stärken. "Dieser Preis kann hoffentlich einiges davon beleuchten."

Im vergangenen Jahr gewann den Preis der in Leipzig arbeitende schwedische Forscher Svante Pääbo für seine Erkenntnisse zur Evolution des Menschen und zu dessen ausgestorbenen Verwandten. Er hat unter anderem als Erster das Genom des Neandertalers sequenziert.

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Der Medizin-Nobelpreis macht bei den alljährlichen Preisvergaben traditionell den Anfang. In den Folgetagen werden dann die weiteren Nobelpreisträgerinnen und -träger in den Kategorien Physik, Chemie, Literatur, Frieden sowie Wirtschaftswissenschaften verkündet. Der Friedensnobelpreis ist dabei der einzige, der nicht in Stockholm, sondern in Oslo bekannt gegeben wird.

Überreicht werden die Nobelpreise dann allesamt feierlich am 10. Dezember, dem Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896). Dotiert sind die Auszeichnungen in diesem Jahr mit einem Preisgeld in Höhe von elf Millionen schwedischen Kronen (rund 950 000 Euro) pro Kategorie. Das ist eine Million Kronen mehr als in den Vorjahren.

Die Nobelpreise - bis auf den für Wirtschaft, der von der Schwedischen Reichsbank gestiftet wurde - gehen auf das Testament Nobels zurück. Sie sollen diejenigen ehren, die der Menschheit in den einzelnen Kategorien im vorangegangenen Jahr den größten Nutzen erwiesen haben. Die zeitliche Vorgabe beachten die Vergabe-Institutionen meist nicht so genau.

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