Masern in Berlin:Unterricht nur mit Impfpass

  • Eine Berliner Schule schließt wegen der schweren Masern-Epidemie ungeimpfte Kinder vom Unterricht aus.
  • Gesundheitssenator Czaja klagt über impfmüde Eltern vor allem in wohlhabenden Kiezen.

Von Hannah Beitzer, Berlin

Fünf Kinder der Carl-Zeiss-Schule in Berlin-Lichtenrade haben bis Freitag frei. Unfreiwillig. An der Schule im Bezirk Tempelhof-Schöneberg ist ein 17-jähriger Schüler in der vergangenen Woche mit Masern ins Krankenhaus eingeliefert worden. Er ist einer von mehr als 400 Berlinern aller Altersklassen, die seit dem Herbst an der Infektion erkrankten.

Die Carl-Zeiss-Schule blieb am Montag geschlossen. Am Dienstag mussten alle Schüler und Lehrer ihre Impfpässe mitbringen. Fünf der etwa 1000 Schüler hatten die Dokumenten nicht dabei oder waren nicht gegen Masern geimpft und müssen in den nächsten Tagen zuhause bleiben. Das Gesundheitsamt rät ihren Eltern in einem Brief, die Impfung unbedingt nachzuholen. Zwingen kann es sie jedoch nicht.

Eine Schulschließung, Impfkontrollen, Unterrichtsausschlüsse - und das alles wegen eines einzigen kranken Kindes: Sibyll Klotz (Grüne), Gesundheitsstadträtin des Bezirks, hält die Schließung der Schule für überzogen. "Dadurch hat es eine richtige Hysterie gegeben." Schulleiter und Behörde hatten am Freitag vergeblich versucht, sich gegenseitig telefonisch zu erreichen. Der Schulleiter hatte schließlich allein entschieden.

Die Eltern der Schüler hatten jedoch Verständnis. Es sei "völlig nachvollziehbar", dass der Schulleiter den sicheren Weg gewählt habe, sagte ein Elternvertreter dem Berliner Tagesspiegel: "Er hat im Sinne der Schüler- und Elternschaft gehandelt." Auch die Bildungsverwaltung stellte sich hinter seine Entscheidung, schreibt die Zeitung. Der Schulleiter habe die Schulaufsicht informiert. Es ist auch nicht das erste Mal, dass wegen der Epidemie in einer Berliner Schule Unterricht ausfällt, im Januar waren zwei andere Schulen betroffen.

Die Impfpässe zu kontrollieren und einzelne Schüler nach Hause zu schicken, hält auch Sibyll Klotz für eine verhältnismäßige Maßnahme. Den Eltern der Ungeimpften rät Klotz zu mehr Vorsicht: "Das ist eine schwere Krankheit, die tödlich sein kann", sagt sie.

Kind stirbt an Masern

Tatsächlich starb am vergangenen Mittwoch ein Kind an den Masern. Der kleine Junge wurde seit Mitte Februar in der Berliner Charité behandelt, seine Eltern hatten die Masernimpfung wohl lediglich verpasst und waren keine Impfgegner. Gesundheitssenator Mario Czaja zufolge war er gegen andere Krankheiten immunisiert. Er wurde nur 18 Monate alt. Dieser tragische Fall bestätigt die Warnung von Experten, wonach Masern mitnichten eine harmlose Kinderkrankheit sind. Bei jeder tausendsten Infektion kommt es zu einer Hirnhautentzündung, die in 30 Prozent der Fälle tödlich verläuft. Auch kann es zu fatalen Spätschäden kommen.

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