Krankheiten - Hamburg:Corona greift immer mehr in Alltag der Hamburger ein

Covid-19
Blick auf das Rathaus Hamburg mit Kleiner Alster. Foto: Markus Scholz/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Hamburg (dpa/lno) - Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das öffentliche Leben in Hamburg schlagen mittlerweile in beinahe allen Bereichen voll durch. Nach Schulen und Kitas blieben am Mittwoch auch die Mehrzahl der Geschäfte in der Hansestadt geschlossen, die Justiz fuhr ihre Arbeit zum Schutz der Beschäftigten und Betroffenen bis auf weiteres auf das Notwendigste herunter und erste Nicht-EU-Bürger wurden am Flughafen bei der Einreise abgewiesen.

Nun sollen die Schulen sogar bis zum 19. April geschlossen bleiben. "Es macht Sinn, nach Schleswig-Holstein nachzuziehen, weil doch viele Familien in der Metropolregion leben", sagte Peter Albrecht, Sprecher der Hamburger Schulbehörde, am Mittwochabend der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte das NDR-"Hamburg-Journal" berichtet. Damit verlängert Hamburg die Schulschließungen um drei Wochen und zieht mit dem Nachbarland Schleswig-Holstein gleich. Ursprünglich sollten die Schulen nur bis zum 29. März geschlossen bleiben.

Die Hamburger Sozialbehörde ist nach Angaben eines Sprechers dafür, dass die Kitas ebenfalls bis zum 19. April geschlossen bleiben. Man müsse sich am Donnerstagmorgen aber noch mit den Trägern abstimmen, sagte der Sprecher. Danach werde eine Entscheidung bekanntgegeben. Trotz der Pandemie sollen die Abiturprüfungen nicht verschoben werden.

Die Hamburgische Bürgerschaft kam dreieinhalb Wochen nach der Wahl in einer Notbesetzung zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen - während sich mehr als 100 Hamburger Wirte in einem verzweifelten Brief an die Politik gewandt haben. "Während die Tage verstreichen, sind wir dabei, unterzugehen. Wir haben keine Mittel mehr zur Verfügung, um unsere Existenz aufrecht zu erhalten und fühlen uns im Stich gelassen", heißt es in dem Gastronomen-Brief, der unter anderem auf dem Facebook-Profil von Tim Mälzers "Bullerei" veröffentlicht wurde. Wenn es keine echte finanzielle Soforthilfe, etwa die Übernahme aller Bruttogehälter der Voll- und Teilzeitkräfte, gebe, "war es das für die nächsten Jahre mit Hamburgs bunter Gastroszene und den vielen schönen Hotels - das sagen wir euch in aller Deutlichkeit", heißt es in dem Schreiben an die Stadt und Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).

Die Zahl der neuen Fälle mit positiver Covid-19-Infektion stieg unterdessen weiter an. Seit Dienstag habe sich in Hamburg die Zahl der Erkrankten um 102 auf nunmehr 414 erhöht, teilte der Senat am Mittwoch mit. Unter den Infizierten sind elf in stationärer Behandlung, zwei befinden sich in einer Intensivstation. Am Vortag waren zehn Personen in stationärer Behandlung, davon sechs auf einer Intensivstation. Der Senat rechnet wegen der deutlich steigenden Zahl an Tests auch vieler Rückkehrer aus Risikogebieten in den kommenden Tagen mit einem deutlichen Anstieg positiv getesteter Frauen und Männer.

Für die Kassenärztliche Vereinigung (KVH) ist Hamburg weiter das Epizentrum der Corona-Pandemie in Deutschland. "Sicherlich ist ein Grund, dass wir in Hamburg die vorgezogenen Frühjahrsferien haben", sagte deren Sprecher Jochen Kriens der Deutschen Presse-Agentur. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts vom Mittwoch liegt Hamburg mit 19,4 Erkrankten pro 100 000 Einwohner an der Spitze der Bundesländer. Auf Rang zwei folgt Baden-Württemberg mit 14,5 Erkrankten pro 100 000 Einwohner, gefolgt von Nordrhein-Westfallen mit 13,2 Erkrankten pro 100 000 Einwohner. Der Durchschnitt liege bei 9,9 Erkrankten pro 100 000 Einwohner.

Die Justiz hat ihre Arbeit wegen der Corona-Pandemie auf das Notwendigste runtergefahren. "Wir brauchen (...) eine handlungsfähige Justiz - und zwar jetzt und auf längere Sicht", sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne). Entsprechend liefen Strafsachen fristgemäß weiter und dringliche Fälle etwa zu Stromsperrungen, Wohnungsräumungen oder Inobhutnahmen würden ebenfalls bearbeitet. "Dafür werden andere Verfahren zurückgestellt werden müssen", sagte Steffen. Er nannte etwa über Jahre laufende Bauprozesse, bei denen Urteile nun länger dauern könnten.

Erhebliche Einschränkungen müssen wegen der Pandemie auch die knapp 2000 Hamburger Häftlinge hinnehmen. So seien zur Verhinderung einer Infektion unter anderem sämtliche Frei- und Ausgänge gestrichen und Besuche massiv eingeschränkt worden. Besuche gebe es nur noch in begründeten Einzelfällen und auch nur hinter Trennscheiben.

Zur konstituierenden Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft erschienen nur 74 der 123 gewählten Abgeordneten. Durch weniger Anwesende und die zwischen ihnen freigebliebenen Sitze sollte das Infektionsrisiko im Plenarsaal möglichst gering gehalten werden. Auch Zuschauer waren deshalb nicht zur Sitzung zugelassen. Seitens des Senats nahmen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) teil. Die Notsitzung war nötig, da sich die Bürgerschaft laut Landesverfassung binnen vier Wochen nach der Wahl vom 23. Februar konstituieren muss.

Zur Parlamentspräsidentin wurde auf Vorschlag der SPD erneut Carola Veit gewählt. Die 46-Jährige, die dem Bürgerschaftspräsidium bereits in den vergangenen beiden Legislaturen vorstand, erhielt 68 Ja-Stimmen bei einer Nein-Stimme. Fünf Abgeordnete enthielten sich. Veit sprach in ihrer Antrittsrede von einer schweren Krise. "Die Situation unter der Corona-Pandemie ist ernst. Viele Menschen sind krank, etliche bereits gestorben. Und es ist ja keine Schwarzmalerei festzustellen, das geht noch lange weiter und das wird noch schlimmer."

Das wegen der Coronakrise angeordnete Einreiseverbot für alle Nicht-EU-Bürger hat am Hamburger Flughafen bereits Konsequenzen. Es habe schon Einreiseverweigerungen gegeben, sagte eine Sprecherin der Bundespolizei. Zu Zahlen äußerte sie sich nicht. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte am Dienstag ein faktisches Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger angeordnet, das zunächst für 30 Tage gelten soll.

Neben Geschäften und Gaststätten trifft die Krise auch Hamburgs Spitzenhotels. Das Hotel Süllberg im Stadtteil Blankenese hat bereits geschlossen, das Westin an der Elbphilharmonie nimmt von Freitag an keine Gäste mehr auf. "Wir wollen uns an der Mitwirkungspflicht beteiligen", sagte Madeleine Marx, General Managerin des Westin, der Deutschen Presse-Agentur. Nachdem die Elbphilharmonie bereits den Spielbetrieb eingestellt hatte, waren die Gästezahlen ohnehin zurückgegangen. Im Atlantic war am Mittwoch Schluss. Wie ein Sprecher sagte, sollen jetzt ohnehin geplante Renovierungsarbeiten erledigt werden. Die Hamburger Gastronomie-Messe Internorga sagte unterdessen ihre Veranstaltung für dieses Jahr ganz ab.

Angehende Juristen aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Bremen können ihr zweites Staatsexamen aufgrund des neuartigen Coronavirus erst später ablegen. Die im April anstehenden Klausuren sollen auf die erste Juni-Hälfte verschoben werden, teilte das Hanseatische Oberlandesgericht mit. Betroffen sind in Hamburg auch Studierende, die vor dem ersten Staatsexamen stehen. Die bis Ende März geplanten mündlichen Prüfungen werden verlegt.

Das Hamburger Tierheim schränkte seinen Publikumsverkehr ein. "Man muss jetzt klingeln. Tor und Türen sind zu", sagte ein Sprecher in der Süderstraße. Derzeit dürfe man das Heim nur betreten, wenn man ein Tier abgeben muss oder eins adoptieren möchte. "Wer sich nur umschauen will, kommt nicht rein." Der Sprecher ging davon aus, dass die Vermittlungszahlen sinken werden.

Gleichzeitig dürfte die Zahl der im Tierheim betreuten Tiere in den kommenden Tagen und Wochen steigen. Zuletzt warteten den Angaben zufolge 1356 Tiere auf ein neues Zuhause, darunter 170 Hunde, 214 Katzen und 205 Reptilien. Am Montag habe es bereits keine Vermittlung mehr gegeben. "Die Menschen denken in der aktuellen Situation aber auch erstmal an etwas anderes als eine Tieradoption."

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße will von Donnerstag an in seiner Hauskapelle täglich um 11.00 Uhr die Heilige Messe allein feiern und diese über die Facebook-Seite des Erzbistums live übertragen. "Mir ist es wichtig, gerade in dieser Zeit die Verbindung zu den Menschen zu erhalten. Deshalb gehe ich diesen auch für mich ungewohnten Weg", sagte der Erzbischof. Heße hatte sich nach dem Aufenthalt in einem Risikogebiet in häusliche Quarantäne begeben. Er war am Wochenende über Madrid von einer Reise nach Marokko zurückgekehrt.

Glücklich endete unterdessen die Odyssee von etwa 60 in Aserbaidschan gestrandeten Mitgliedern eines Hamburger Mädchenchors. Sie wurden mit einer Lufthansa-Sondermaschine aus der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku abgeholt, wie ein Lufthansa-Sprecher der dpa sagte. Die Fluggesellschaft habe eine Sondergenehmigung bekommen, die benötigt wurde, da Aserbaidschan seine Grenzen geschlossen hatte. Der Mädchenchor war in Aserbaidschan gestrandet, da der für vergangenen Samstag geplante Rückflug gestrichen wurde. Betroffen waren laut Hamburger Schulbehörde etwa 60 Mädchen und Betreuer. Der Mädchenchor der Jugendmusikschule Hamburg absolvierte laut "Hamburger Abendblatt" eine Konzertreise durch Georgien, Armenien und Aserbaidschan.

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