Wiesbaden:Corona-Krise geht für Hessen ins Geld

Lesezeit: 4 min

Michael Boddenberg (CDU), Finanzminister von Hessen. (Foto: Andreas Arnold/dpa/Archivbild)

Licht und Schatten in Hessen in der Corona-Krise: Wegen der Pandemie steht das Land vor einem Einbruch der Steuereinnahmen in einem noch nie erlebten Ausmaß....

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Wiesbaden (dpa/lhe) - Licht und Schatten in Hessen in der Corona-Krise: Wegen der Pandemie steht das Land vor einem Einbruch der Steuereinnahmen in einem noch nie erlebten Ausmaß. Die Umwelt kann dagegen etwas aufatmen: Wegen geringer Verkehrsbelastung ist die Luft in Hessen besser geworden. Ein Überblick:

KITA-ÖFFNUNG: Das Land will Kommunen bei der eingeschränkten Öffnung der Kitas weitgehend freie Hand lassen. Es gebe weder Vorgaben zur Größe der erlaubten Gruppen noch zu den Räumlichkeiten für die Betreuung der kleinen Vorschulkinder, sagte Sozialminister Kai Klose (Grüne). Zum geplanten Start des eingeschränkten Regelbetriebs am 2. Juni lege das Land aber Empfehlungen vor, damit die Träger die bestehenden Hygienepläne der Einrichtungen auf die Situation anpassen können. Einen Anspruch auf die Betreuung hätten nach wie vor Familien, in denen ein Elternteil einen systemrelevanten Beruf ausübt und der andere Elternteil ebenfalls berufstätig ist. Dieser Anspruch gelte auch für Kinder von Alleinerziehenden, die berufstätig sind oder studieren. Dazu kommen die Kinder, deren Betreuung in einer Kita vom Jugendamt angeordnet wurde.

STEUEREINBRUCH: Hessen erwartet wegen der Auswirkungen der Corona-Krise einen massiven Einbruch der Steuereinnahmen. Die Steuerschätzung sage fast drei Milliarden Euro weniger Einnahmen für das laufende Jahr voraus, teilte Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) mit. Bis zum Jahr 2023 sei mit Ausfällen von insgesamt 6,4 Milliarden Euro zu rechnen. So einen Einbruch der Steuereinnahmen habe es im Land noch nie gegeben, betonte der Finanzminister. Ursprünglich war das Finanzministerium von Steuereinnahmen in diesem Jahr von rund 23,1 Milliarden Euro ausgegangen. Durch die erwarteten Ausfälle werde nun mit einem Volumen von etwa 20,1 Milliarden Euro im Jahr 2020 gerechnet. Noch im Sommer solle ein zweiter Nachtragshaushalt im Landtag verabschiedet werden.

SCHWIMMEN: Mitglieder von Schwimmvereinen dürfen ab 1. Juni in Hessen wieder ins Wasser. Innen- und Sportminister Peter Beuth (CDU) kündigte am Mittwoch an, dass Frei- und Hallenbäder „unter Beachtung der im Sport vorgeschriebenen Hygiene- und Abstandsregeln“ für Schwimmvereine wieder öffnen. Auch Schwimmkurse dürfen ab dann wieder stattfinden. Wie lange es für alle anderen noch dauert, ist weiterhin unklar. Bis Mitte Juni solle eine Entscheidung fallen, sagte Beuth. Ziel sei, die Schwimmbäder und Badeseen für den Publikumsverkehr in diesem Sommer wieder zu öffnen. Der Besuch von Frei- und Hallenbädern sowie der Badeseen werde aber auch dann wohl „kein unbeschwertes Vergnügen“ sein: Neben strengen Hygienekonzepten werde es reduzierte Besucherzahlen geben. Sauna- und Wellnessbereiche blieben geschlossen.

FALLZAHLEN: Die Zahl der bestätigten Ansteckungen mit dem Coronavirus ist in Hessen auf 9483 gestiegen. Dies seien 115 Fälle mehr als am Vortag, wie das Sozialministerium mitteilte. Vier weitere Menschen starben, bei denen das Virus nachgewiesen wurde. Mittlerweile werden insgesamt 446 Todesfälle in Hessen mit Covid-19 in Verbindung gebracht. Bei den regionalen Fallzahlen sind die Städte und Gemeinden weiterhin ein gutes Stück von der Obergrenze von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen entfernt. Wird diese erreicht, drohen wieder Beschränkungen des öffentlichen Lebens.

PATIENTEN: 572 Covid-19-Patienten befanden sich mit Stand Dienstag (11.00 Uhr) in hessischen Krankenhäusern, 110 davon waren auf Beatmung und Überwachung auf einer Intensivstation angewiesen, wie das Ministerium am Mittwoch berichtete. 853 freie Beatmungsbetten gab es demnach zum Zeitpunkt der Erhebung in den Krankenhäusern im Land.

FLÜCHTLINGE: In einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Frankfurt-Bockenheim sind 65 Bewohnerinnen und Bewohner positiv auf Covid-19 getestet worden. Auch zwei Mitarbeiterinnen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), das die Einrichtung betreibt, wurden positiv getestet, wie die Stadt mitteilte. Den Angaben zufolge hat bisher nur ein infizierter Mann Symptome entwickelt und wird in einem Krankenhaus behandelt. Seine Erkrankung sei der Anlass zu weiteren Tests gewesen. Die ersten elf der positiv getesteten Bewohner der Unterkunft sind nach Angaben einer Sprecherin des Sozialdezernats bereits in ein Appartement-Hotel umgezogen, in dem die Stadt seit April Wohnungslose und Geflüchtete aus Gemeinschaftsunterkünften zur Quarantäne unterbringt. Weitere 52 positiv getestete Menschen und ihre Familienmitglieder ziehen am Freitag in ein anderes Hotel um.

UMWELT: Die Corona-Krise mit deutlich weniger Straßen- und Flugverkehr hat für sauberere Luft und weniger Lärm in Hessen gesorgt. Die Pandemie habe zu einer kleinen Atempause für die Umwelt geführt, sagte Umweltministerin Priska Hinz (Grüne). Das belegten Messungen und Berechnungen des Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) zum Schadstoffausstoß im Straßen- und Flugverkehr. Verglichen mit der Zeit vor dem Corona-Lockdown ist etwa der Straßenverkehr in Hessen nach den Messungen der Experten im Mittel zwischenzeitlich um 30 bis 40 Prozent zurückgegangen.

EINZELHANDEL: Die Umsätze im hessischen Einzelhandel sind im März trotz der vielen corona-bedingten Geschäftsschließungen stabil geblieben. Online-Händler und Supermärkte glichen in der Gesamtbetrachtung Rückgänge im übrigen Einzelhandel aus, wie das Statistische Landesamt am Mittwoch in Wiesbaden berichtete. Die Zahl der Beschäftigten sei im gesamten hessischen Einzelhandel im Vergleich zum März 2019 sogar um 0,7 Prozent gestiegen. In der zweiten Märzhälfte hatten wegen der Kontaktbeschränkungen zahlreiche Geschäfte in Hessen dichtmachen müssen. Offen blieben nur Läden, die Dinge für den täglichen Bedarf verkaufen.

DEUTSCHE BANK: Das Geldhaus ist nach eigener Einschätzung solide genug aufgestellt, um die Corona-Krise ohne größere Blessuren zu überstehen. „Wir sind ein Teil der Lösung und insofern auch überzeugt, dass die Deutsche Bank dort auch gestärkt hervorgehen kann“, sagte Konzernchef Christian Sewing bei der Online-Hauptversammlung des Frankfurter Dax-Konzerns. Die Frage nach Staatshilfen stelle sich für das Institut nicht. „Allerdings ist es momentan nicht möglich final abzuschätzen, was die mittel- und langfristigen Folgen der Krise sein werden.“

BLUTSPENDEN: Wegen steigender Nachfrage nach Blutkonserven in Hessen drohen Engpässe. Das Hessischen Sozialministerium veröffentlichte deswegen einen Aufruf, Blut zu spenden. „Jede Woche werden in Hessen zur Patientenversorgung mehrere tausend Blutspenden benötigt - jeder kann, zum Beispiel als Unfallopfer, auf Blutspenden angewiesen sein“, appellierte Minister Kai Klose (Grüne). Zur hohen Nachfrage kommt es derzeit, weil die Zahl der vom Coronavirus betroffenen Patienten abnimmt und sich die Krankenhäuser auf den Regelbetrieb vorbereiten. Der Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes in Baden-Württemberg und Hessen schlägt aufgrund der Entwicklung Alarm. In beiden Bundesländern kann das DRK nicht einmal den Bedarf eines durchschnittlichen Tages abdecken, wie aus einem Bericht des ARD-Hauptstadtstudios hervorgeht. Konkret reiche der Bestand für 0,9 Tage. Der Blutspendedienst versorgt über 90 Prozent der Patienten in den hessischen Kliniken.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: