Gesundheit - Magdeburg:Einrichtungen bereiten sich auf Masern-Impfpflicht vor

Deutschland
Ein Kinderarzt impft ein einjähriges Kind in den Oberschenkel. Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Magdeburg/Halle (dpa/sa) - Die Umsetzung der Masern-Impfpflicht ab dem 1. März in Kitas, Schulen und weiteren Einrichtungen wird aus Sicht von Experten ein Kraftakt. "Das ist die Steigerungsform von dicken Brettern", sagte der Leiter des Magdeburger Gesundheitsamts, Eike Hennig, der Deutschen Presse-Agentur. Das Gesetz verpflichte alle Einrichtungen, sich einen Überblick über den Impfstatus der Betreuten und der Mitarbeiter zu verschaffen. Kitas dürfen ungeimpfte Kinder nicht neu aufnehmen und auch keine ungeimpften Mitarbeiter ab dem Jahrgang 1971 einstellen.

Den Gesundheitsämtern sollen nicht immunisierte Kinder gemeldet werden. Hennig rechnete hoch: Bei rund 11 000 Kindern in Magdeburger Kitas und einer Impfquote von 95 Prozent gehe es um rund 500 Kinder, die potenziell nicht immunisiert seien. Er rechnet damit, dass viele die Impfung schlicht vergessen hätten, andere bräuchten mehr Informationen. Jeder Fall müsse nachverfolgt werden - wie groß der Aufwand tatsächlich ist, werde sich zeigen. Wenn Eltern ihr Kind nicht impfen lassen wollen, droht ihnen in letzter Konsequenz ein Bußgeld. Für Hennig geht es darum, das Gesetz mit Leben zu füllen.

Die Impfpflicht wurde Ende vergangenen Jahres vom Bundestag beschlossen. Bei Verstößen drohen bis zu 2500 Euro Bußgeld. Das Gesetz sieht vor, dass alle Kinder, die ab dem 1. März in eine Kita aufgenommen werden, einen Impfnachweis mitbringen müssen. Für bereits betreute Kinder gilt eine Übergangsfrist bis zum 31. Juli 2021. Den Nachweis müssen auch alle Mitarbeiter bringen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind.

"Der Verwaltungsaufwand in den Einrichtungen wird auf alle Fälle steigen", sagte Awo-Sprecherin Cathleen Paech. Einrichtungsleitungen müssten Eltern aufklären und sich auf Konflikte vorbereiten, die eigentlich nicht in die Kita gehörten. Die Awo ist Trägerin von 73 Kitas und Horten im Land, in denen rund 7000 Kinder von 850 Erzieherinnen und Erziehern betreut werden.

Die Stiftung Evangelische Jugendhilfe St. Johannis Bernburg, die in Magdeburg sechs Horte und elf Kitas betreibt, hat die 2400 betreuten Familien vor zwei Wochen in einem Brief informiert. Darin wurde die Rechtslage erläutert. "Viele Eltern bringen den Nachweis ganz von selbst", sagte die für die Tagesbetreuung zuständige Bereichsleiterin Bärbel Greiser. Sie nehme keine großen Diskussionen wahr. Und für die Zukunft gelte ganz klar: "Wir nehmen kein ungeimpftes Kind auf."

Gesundheitsamtsleiter Hennig wies darauf hin, dass nicht nur Kinder in Kitas und Schulen von der Impfpflicht berührt sind. Das Thema betreffe alle Gemeinschaftseinrichtungen von der Obdachlosenunterkunft bis zum Heim für Geflüchtete, Horte, aber auch medizinische Einrichtungen von der Zahnarztpraxis bis zum Krankenhaus, Pflegeheim und ambulanten Pflegedienst. Hennig nennt das ein "Wuselfeld von Institutionen". Konzentrieren will er sich zunächst auf die Einrichtungen, in denen Kinder betreut werden. Für Mittwoch hat Hennig Kita-Träger zu einer großen Info-Veranstaltung eingeladen.

Die Stadt Halle teilte mit, sie werde das Masernschutzgesetz in ihren 49 Kitas und 6 Horten mit etwa 5700 Kindern umsetzen und dabei die Übergangsfrist nutzen. Es werde in der laufenden Woche ein ausführliches Informationsschreiben an die Leitungskräfte und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versandt.

In Dessau-Roßlau will der zuständige Eigenbetrieb Mitte März eine Infoveranstaltung organisieren. Die Stadt wies auf die kurzen Zeiträume hin, in denen das Gesetz umzusetzen sei. Die Stadt betreibt den Angaben zufolge 14 Kitas und 6 Horte, rund 3000 Kinder würden betreut. Aus dem Gesundheitsamt Dessau-Roßlau hieß es, es werde mehr Arbeit entstehen. Der Umfang lasse sich aber noch nicht abschätzen. "Aktuell werden in nicht unerheblicher Anzahl telefonische Beratungen zur Umsetzung des Gesetzes durchgeführt", hieß es. Es meldeten sich insbesondere Eltern von Kindern, die in Einrichtungen aufgenommen werden sollten oder die Einrichtung wechseln wollten.

"Dass die Hauptverantwortung für die Umsetzung in die Hände der Gemeinschaftseinrichtungen gelegt wird, sehen wir kritisch", erklärte Awo-Sprecherin Paech. Die Wohlfahrtsverbände in Deutschland hätten sich gegen eine Übernahme hoheitlicher Kontrollaufgaben wie die der durchgeführten Impfungen ausgesprochen. Sie würden es lieber sehen, wenn die Gesundheitsämter die Kontrolle übernähmen. Dafür habe sich Sachsen-Anhalt aber noch nicht entschieden.

Grundsätzlich steht Sachsen-Anhalt bei den Masern-Impfungen gut da. Für die optimale Immunisierung sind zwei Impfdosen nötig. Empfohlen ist laut Landesamt für Verbraucherschutz, Kinder erstmals mit 11 bis 14 Monaten zu impfen. Die zweite Dosis sollte im zweiten Lebensjahr folgen. 98,3 Prozent der im vergangenen Jahr eingeschulten Kinder hätten die erste Impfung gehabt, bei der zweiten Impfung sei die Quote schon auf 94,4 Prozent gesunken. Experten streben eine Quote von 95 Prozent an. Eine einzelne Impfung gegen Masern gibt es nicht, es handelt sich um eine Mehrfachimpfung zusammen mit Mumps, Röteln und gegebenenfalls Windpocken.

Masern sind sehr ansteckend und können sowohl bei Kindern unter fünf Jahren als auch bei Erwachsenen schwere gesundheitliche Folgen haben. In Sachsen-Anhalt wurden im vergangenen Jahr sechs Fälle gemeldet: Drei betrafen ungeimpfte Kinder im Alter von unter einem Jahr, einem sowie sieben Jahren. Bei den restlichen Fällen waren Erwachsene zwischen 25 und 52 Jahren betroffen.

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