Düsseldorf:Laumann: Auflagen können Blaupause für Öffnungen sein

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Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, spricht zur Presse. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die strengen Hygiene-Auflagen, unter denen Friseure ab Montag ihre Salons wiedereröffnen dürfen, sind nach Ansicht von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef...

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Die strengen Hygiene-Auflagen, unter denen Friseure ab Montag ihre Salons wiedereröffnen dürfen, sind nach Ansicht von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann beispielhaft für weitere noch verbotene Dienstleistungen in der Corona-Krise. „Sie können eine Blaupause für weitere mögliche Öffnungen im sogenannten körpernahen Dienstleistungssektor sein“, teilte der Minister am Mittwoch mit. „Das Corona-Virus wird uns lange begleiten. Deswegen müssen wir gemeinsam Verhaltensregeln erarbeiten, die uns vor einer neuen Infektionswelle schützen, aber unserer Gesellschaft und Wirtschaft die dringend erforderlichen Freiräume geben.“

Entsprechend eines von der Berufsgenossenschaft des Friseurhandwerks erarbeiteten Arbeitsschutzstandards gilt in den Salons eine Maskenpflicht für Mitarbeiter und Kunden. Utensilien wie Kämme und Scheren müssen demanch nach jedem Kunden gereinigt werden. Außerdem bleiben Arbeiten in der Nähe des Gesichts wie Augenbrauenzupfen, Rasieren oder Bartpflege untersagt. Kunden oder Mitarbeitern mit Symptomen einer Atemwegsinfektion muss der Zugang zum Salon verwehrt werden. Zur Nachvollziehbarkeit etwaiger Infektionsketten müssen die Friseure außerdem die Kontaktdaten ihrer Kunden dokumentieren.

Tattoo-, Nagel- und Kosmetikstudios sowie Massagestudios waren zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie ebenfalls vor mehr als fünf Wochen geschlossen worden. Die Ministerpräsidenten hatten sich am 15. April darauf verständigt, Friseuren ab 4. Mai eine Wiedereröffnung zu ermöglichen - unter strengen Infektionsschutzregeln. Laut dem NRW-Gesundheitsministerium sollen die entsprechenden Standards in die Coronaschutzverordnung des Landes eingearbeitet werden. Auch für Fußpflege, die nie verboten gewesen sei, habe man mit einem Erlass zu Hygiene- und Schutzstandards nun Rechtssicherheit geschaffen.

Laumann stimmte das bevölkerungsreichste Bundesland am Mittwoch auf einen „weit bis ins nächste Jahr“ reichenden Kampf gegen das Coronavirus ein. „Die Wahrheit ist, dass unser Land noch sehr lange mit dem Virus leben muss.“ Dennoch laute das mittelfristige Ziel: „Wir werden die nächsten Wochen und Monate in unserem Land Schritt für Schritt versuchen, im Licht der Infektionszahlen wieder möglichst viel Normalität herzustellen.“ Noch in dieser Woche solle eine gemeinsame Linie für das „schwierige Thema“ gefunden werden, wieder Sozialkontakte in Alten- und Behinderteneinrichtungen zuzulassen. Auch Gaststätten und Kneipen rücken verstärkt in den Fokus.

Die Infektionsentwicklung im Land sei seit der Einführung der strengen Kontaktbeschränkungen vor gut fünf Wochen beherrschbar geworden, sagte Laumann. „Wenn ich das gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich das Pandemie-Gesetz gar nicht in den Landtag eingebracht.“ Er habe zunächst befürchtet, Corona nicht bewältigt zu bekommen. Der Landtag hatte das nach verfassungsrechtlichen Bedenken entschärfte Pandemie-Gesetz Mitte April beschlossen. Es sieht außerordentliche Regierungsbefugnisse für den Fall einer katastrophalen Entwicklung der Corona-Krise vor.

Die aktuellen Zahlen deuten zumindest nicht auf eine Verschärfung der Lage hin: Innerhalb eines Tages haben sich in NRW 254 Menschen neu mit dem Virus infiziert. Am Mittwoch lag die Zahl der bestätigten Infektionen bei 32 414, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Weitere 29 Menschen starben, so dass sich die Anzahl der in Verbindung mit Covid-19 seit Beginn der Pandemie im Land gestorbenen Personen auf 1200 erhöhte. Die für die Deutung der Entwicklung so wichtige Reproduktionszahl liegt in NRW derzeit bei 0,8 (Stand 24.4./aktuellere Zahlen liegen nicht vor). Das bedeutet, dass ein Erkrankter im Schnitt weniger als eine andere Person ansteckt.

Auf Urlaube, Ausflüge und Shopping-Touren in die Nachbarländer müssen die NRW-Bürger weiter verzichten. Vor dem langen Wochenende mit dem 1. Mai riet die Landesregierung gemeinsam mit den vier Grenzregionen dringend von nicht notwendigen Reisen ab. Auch wenn es erste Lockerungen gebe, müsse man auf allen Seiten der Grenze umsichtig sein, sagte NRW-Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU). „Gemeinsam haben wir es geschafft, die Verbreitung des Virus in unserem grenzüberschreitenden Lebensraum zu verlangsamen. Je länger wir auf Shoppingtouren und Urlaub verzichten, umso schneller werden diese wieder möglich sein.“ Die Corona-Einreise-Verordnung ist weiter gültig: Demnach müssen sich Reisende grundsätzlich nach einem mindestens 72-stündigen Aufenthalt im Nachbarland 14 Tage isoliert zuhause aufhalten. Ausnahmen gebe es für Pendler, nicht für Urlauber.

Die Tourismus-Branche liegt praktisch am Boden. Mit Koffern und leeren Liegestühlen haben Inhaber und Beschäftigte von Reisebüros deshalb für Corona-Hilfen demonstriert. „Keine Reisen - leere Koffer - leere Kassen“, hieß es auf einem Schild an einem der aufgestellten Koffer vor dem Düsseldorfer Landtag. Auch in Köln, Münster und mehreren anderen Städten gab es Demonstrationen. Sie fanden angesichts der Corona-Pandemie unter strengen Auflagen statt - mit Abstand und begrenzter Teilnehmerzahl. Das Aktionsbündnis „Wir zeigen Gesicht! Rettet die Reisebüros - rettet die Touristik“, das bundesweit in 30 Städten zu Demos aufgerufen hatte, fordert einen Rettungsschirm für die Branche. Notwendig sei eine finanzielle Soforthilfe für die touristischen Unternehmen ohne Rückzahlung.

Eine weitere Öffnung von Verkaufsflächen ist derzeit nicht in Sicht. Die Begrenzung auf 800 Quadratmeter für Warenhäuser, Technikmärkte und andere große Geschäfte in NRW ist rechtens, entschied das Oberverwaltungsgericht in Münster. Es wies am Mittwoch den Antrag eines Kaufhausbetreibers aus Minden auf eine einstweilige Anordnung gegen die Coronaschutzverordnung des Landes ab (Az. 13 B 512/20.NE). Die Verkaufsfläche sei ein Kriterium, „das eine unterschiedliche Behandlung einzelner Einzelhandelsbetriebe mit Blick auf ihre Relevanz für das weitere Infektionsgeschehen im Ansatz rechtfertigen könne“, teilte das Gericht mit. Möbelhäuser oder Babymärkte dürfen ohne Begrenzung der Verkaufsfläche öffnen, Warenhäuser, Modehändler oder Technikmärkte aber nicht. Der Beschluss ist unanfechtbar.

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