Berlin:Arznei als Umweltsorge: Blutdrucksenker-Spuren im Wasser

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Berlin (dpa) - Viele Menschen in Deutschland nehmen einen Blutdrucksenker, der in Zukunft die Umwelt und die Trinkwasserqualität beeinträchtigen könnte. Experten des Berliner Landesamts für Gesundheit (Lageso) und der dortigen Wasserbetriebe haben deshalb das Gespräch mit Kardiologen gesucht, wie das Lageso auf Anfrage mitteilte. Ärzte könnten mit der Verschreibung anderer Medikamente dazu beitragen, das Trinkwasser weniger zu belasten, so die Hoffnung. Nach Einschätzung von Ärzten ist das Ausweichen auf Alternativen aber nicht so einfach.

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Berlin (dpa) - Viele Menschen in Deutschland nehmen einen Blutdrucksenker, der in Zukunft die Umwelt und die Trinkwasserqualität beeinträchtigen könnte. Experten des Berliner Landesamts für Gesundheit (Lageso) und der dortigen Wasserbetriebe haben deshalb das Gespräch mit Kardiologen gesucht, wie das Lageso auf Anfrage mitteilte. Ärzte könnten mit der Verschreibung anderer Medikamente dazu beitragen, das Trinkwasser weniger zu belasten, so die Hoffnung. Nach Einschätzung von Ärzten ist das Ausweichen auf Alternativen aber nicht so einfach.

Spuren von mindestens 150 Arznei-Wirkstoffen sind nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) in der Umwelt nachgewiesen, vor allem in Gewässern. Das Spektrum reicht vom Antibiotikum über Anti-Baby-Pille bis hin zum Schmerzmittel. Im Trinkwasser gebe es „vereinzelt Spuren“, so das UBA. Die Funde sind auch modernen Analysemethoden zu verdanken, mit denen selbst minimale Rückstände entdeckt werden können. Die Stoffe gelangen über menschliche Ausscheidungen und die Entsorgung alter Medikamente in der Toilette in Gewässer. Bei vielen Stoffen sind die Risiken für die Umwelt nicht abschließend geklärt.

Der Blutdrucksenker, den die Berliner Experten im Auge haben, heißt Valsartan: Der Wirkstoff, der in Berlin seit einigen Jahren deutlich vermehrt verordnet wird, wandelt sich in Kläranlagen zu schwer abbaubarer Valsartansäure. Diese wird in Berliner Gewässern und im Trinkwasser nachgewiesen. Für das Trinkwasser lagen dem Umweltbundesamt keine Daten aus den Bundesländern vor; Messungen von Valsartan in Fließgewässern in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen seien aber bekannt.

Die Qualität des Trinkwassers hängt in Städten wie Berlin, die es zum Großteil aus Wasser aus Brunnen in Ufernähe von Flüssen und Seen gewinnen, stark von der Güte der Gewässer ab.

Trotz der Rückstände betonten die Berliner Behörde und das Umweltbundesamt auf dpa-Anfrage, dass vom Leitungswasser kein Gesundheitsrisiko ausgehe. Für sogenannte Mikroschadstoffe wie Valsartansäure gibt es keine Trinkwasser-Grenzwerte. Die Sensibilisierung der Ärzte beim Kongress „Herztage“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) vor einigen Tagen sollte der Vorsorge dienen, weil mit der alternden Bevölkerung auch mit steigenden Verordnungsmengen gerechnet wird. Anlass für Warnungen, wie sie danach teils im Internet zu lesen waren, gebe es nicht.

Valsartan ist den Lageso-Experten zufolge ein Stoff, von dem sehr wenig bis nichts im menschlichen Körper und in Kläranlagen zurückbleibt, die verordneten Wirkstoffmengen fänden sich nahezu vollständig im Kläranlagenablauf wieder.

Selbst mit dem Einsatz neuerer Verfahren in Klärwerken wie Ozonung, was in Berlin in der Anlage Schönerlinde in den nächsten Jahren geplant ist, lasse sich Valsartansäure nur zu 50 bis 80 Prozent entfernen, sagte eine Sprecherin der Wasserbetriebe. Andere Verfahren wären laut Lageso bei dem Stoff noch weniger effektiv. Generell gilt die Nachrüstung mit extra Reinigungsstufen als teuer.

Wie viel können Mediziner bewegen, denen das Problem bewusst ist? DGK-Sprecher Eckart Fleck zufolge haben Ärzte durchaus gute Gründe, Valsartan einzusetzen: Es sei besonders wirksam, habe wenige Nebenwirkungen - eine „Therapie der ersten Wahl“. Man müsse schauen, ob andere Mittel aus der Gruppe der Sartane in Frage kommen, so Fleck. Diese werden in Klärwerken zwar auch zu Valsartansäure, weisen pro Tagesdosis aber eine geringere Wirkstoffkonzentration auf.

Laut DGK hat in Deutschland jeder Dritte zwischen 18 und 79 Jahren Bluthochdruck. Die Folgen können lebensgefährlich sein, wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Jährlich werden nach DGK-Angaben bundesweit 15 Milliarden Tagesdosen Blutdrucksenker aus verschiedenen Wirkstoffgruppen verordnet - davon 70 Tonnen Valsartan.

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