Geburtenstatistik:Kinder werden erstaunlich häufig im gleichen Monat geboren wie ihre Mütter

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Häufiger als der Zufall erklären könnte, bekommen Frauen Kinder im selben Monat, in dem sie selbst Geburtstag haben. (Foto: Cavan Images via www.imago-images.de/imago images/Cavan Images)

Das zeigt eine Analyse von mehr als zehn Millionen Geburtsterminen. Woran liegt das?

Von Jakob Wetzel

Wann die Kinder kommen, hängt von einigen Faktoren ab. In Ferienzeiten etwa sind die Menschen im Durchschnitt sexuell aktiver als in Arbeitswochen, das schlägt sich in der Geburtenstatistik nieder. Frisch verheiratete Paare neigen ebenfalls dazu, Nachwuchs zu zeugen; das sorgt dafür, dass die Zahl der Geburten zehn Monate nach beliebten Heiratsmonaten ansteigt. Biologisch wird die Fruchtbarkeit von Frauen und Männern von verschiedenen Umweltfaktoren wie Temperatur und Licht beeinflusst, auch das hat einen Effekt. Und schließlich spielt es eine Rolle, ob und wann sich Menschen bewusst dafür entscheiden, ein Kind zu bekommen. Doch ein weiterer Faktor wurde bisher offenbar übersehen.

Denn in welchem Monat Eltern ihre Kinder bekommen, wird ihnen auch in die Wiege gelegt. Männer und vor allem Frauen, die zum Beispiel im September geboren wurden, bekommen ihre eigenen Kinder mit größerer Wahrscheinlichkeit ebenfalls im September. Für andere Monate gilt dasselbe. Das geht aus einer Analyse von Forschern um die spanische Mathematikerin und Gesundheitswissenschaftlerin Adela Recio Alcaide von der Universität von Alcalá hervor, die nun in der Fachzeitschrift Population Studies erschienen ist. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben mehr als zehn Millionen Geburtsdaten aus Spanien und Frankreich und aus verschiedenen Zeiträumen in den 1980er-, 2000er- und 2010er-Jahren ausgewertet. In beiden Ländern und in sämtlichen untersuchten Perioden fanden sie auffällige Häufungen. Im Durchschnitt wurden im jeweiligen Geburtsmonat der Mutter um 4,6 Prozent mehr Kinder geboren, als bei zufälliger Verteilung zu erwarten gewesen wäre.

In den Genen steckt der Geburtsmonat nicht

Dieser Befund war so nicht zu erwarten: Eine vorangegangene Studie mit ähnlicher Ausrichtung hatte noch keine solche Häufung ausmachen können - dabei hatten die Autoren allerdings weniger als 7000 Geburtstermine ausgewertet. Offenbar zeige sich der Effekt zuverlässig erst in großen Datenmengen, vermutet daher das Team um Recio Alcaide.

Und die Forscher stießen auf weitere Auffälligkeiten. So bekamen auch Väter ihre Kinder häufiger in dem Monat, in dem sie selbst geboren wurden; hier ist die Häufung aber nur halb so ausgeprägt wie bei Müttern. Aufeinanderfolgende Geschwister dagegen hatten statistisch um ganze 12,1 Prozent häufiger im selben Monat Geburtstag als eigentlich zu erwarten wäre. Und auch bei Elternpaaren gab es eine Häufung, zumindest in Spanien: Väter und Mütter gemeinsamer Kinder hatten hier statistisch um 4,4 Prozent öfter im selben Monat Geburtstag, als bei zufälliger Verteilung erwartbar wäre. In den Akten aus Frankreich waren diese Daten nicht durchgehend enthalten.

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In den Genen steckt der Geburtsmonat nicht. Die Forscherinnen und Forscher erklären diese Auffälligkeiten vielmehr mit sozialen und wirtschaftlichen Faktoren. Das Phänomen rühre wahrscheinlich daher, dass miteinander verwandte Menschen einen ähnlichen sozialen Hintergrund haben. Es sei bekannt, dass sich Menschen eher mit Partnerinnen und Partnern einlassen, die ähnlich sozialisiert sind wie sie selbst. Zudem beeinflusse der soziale Hintergrund, in welcher Jahreszeit Menschen ihre Kinder bekommen. In Spanien etwa bekämen Frauen mit höherer Bildung ihre Kinder häufiger im Frühjahr als im Herbst. Diese Kinder erreichten wiederum mit höherer Wahrscheinlichkeit einen höheren Bildungsabschluss als andere - und falls sie weiblich sind, bekämen sie ihre eigenen Kinder wiederum mit höherer Wahrscheinlichkeit im Frühjahr, argumentieren die Forscher. So werde offenbar nicht nur die Jahreszeit der Geburt, sondern sogar der Geburtsmonat von Generation zu Generation weitergegeben.

Diese Ergebnisse lieferten eine weitere Erklärung dafür, warum die Geburtenverteilung in einer Gesellschaft oft sehr konstant sei, meinen die Forscher. Sie würden aber auch zur Vorsicht mahnen. So gibt es verschiedene Untersuchungen, die den Geburtsmonat einer Person zum Beispiel mit dem Risiko in Verbindung bringen, später Asthma, ADHS, Herzleiden oder eine andere Krankheit zu bekommen. Solche Analysen müssten künftig auch nach den Eltern fragen. Sonst sei das Bild womöglich verzerrt.

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