Neun Stunden im Bett:Wer hat an der Uhr gedreht?

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Neun Stunden im Bett und 158 Minuten Lohnarbeit - so verbringt der Durchschnittsmensch seinen Tag. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Wie verbringt die Menschheit ihren Tag? Das versucht eine neue Studie zu erfassen - und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen.

Von Marie Christin Essert

Durchschnittlich verbringt die Menschheit mehr als neun Stunden pro Tag im Bett. Weitere neuneinhalb Stunden gehen unter anderem für soziale Kontakte, Erwerbsarbeit, Konsum von Medien und Freizeitaktivitäten drauf, etwa dreieinhalb Stunden sind im globalen Durchschnitt der Nahrungsbeschaffung und dem Haushalt im weiteren Sinne gewidmet. Die übrigen knappen zwei Stunden bleiben für Organisation und Transport. Das ist grob vereinfacht die Bilanz einer Forschungsgruppe um den Erdsystemforscher und Klima-Experten Eric Galbraith von der kanadischen McGill University nach der Auswertung von Datensätzen aus 145 Ländern.

Weil die Tagesabläufe der Menschen so unterschiedlich aussehen - während zum Beispiel in vielen wohlhabenden Ländern der Tag durch Lohnarbeit gegliedert wird, ist in anderen Regionen die Nahrungsbeschaffung zentral - musste das Team zunächst 3956 Aktivitäten identifizieren und klassifizieren. Die Forscher entschieden sich in ihrer Arbeit, die im Wissenschaftsjournal PNAS veröffentlicht wurde, für drei Motivationskategorien - motiviert durch direkte menschliche Auswirkungen, motiviert durch externe Auswirkungen und motiviert durch organisatorische Auswirkungen.

Es bestehe ein klarer Spielraum, die Zeiten zwischen den Aktivitäten umzuverteilen

Dass typische Erwerbsarbeit in diesem Schema gerade mal auf gut zweieinhalb Stunden (exakt: 158 Minuten) des menschlichen Durchschnittstages kommt, ist das vielleicht auf den ersten Blick erstaunlichste Ergebnis dieses Ansatzes, den menschlichen Tag zu erfassen. Die Forschenden betonen, dass die Arbeit für Geld in jede der drei Kategorien fallen kann. Wenn man Ärztin ist, ist man menschlich motiviert und befindet sich damit in der ersten Kategorie, als Hausmeister ist man für Infrastruktur verantwortlich, die in die externe Auswirkung fällt. Die Zahl der Stunden für die Erwerbsarbeit erscheine klein, schreiben die Forschenden, doch nur etwa 66 Prozent der Weltbevölkerung sind in einem arbeitsfähigen Alter. Demnach arbeiten zwei Drittel der Menschen auf diesem Planeten durchschnittlich 41 Stunden pro Woche. Die ausgewerteten Datensätze wurden von 2000 bis 2019 erhoben, um Verzerrungen durch die Pandemie auszuschließen.

Mit knapp neuneinhalb Stunden verbringt der durchschnittliche Mensch den Großteil des Tages mit Tätigkeiten aus der ersten Gruppe der direkten menschlichen Auswirkungen. In diese Kategorie fällt alles, was mit Gesundheit, Hygiene, sozialen Interaktionen und Erlebnissen zu tun hat: Medien konsumieren, Haare kämmen, ins Museum gehen, Freunde auf ein Glas Wein treffen und sich weiterbilden. Aber eben auch manche Arbeit.

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Schlaf und Bettruhe machen global betrachtet gut 9,1 Stunden aus. Diese hohe Zahl erklärt das Team um Galbraith damit, dass auf der einen Seite die insgesamt im Bett verbrachte Zeit betrachtet wurde und auf der anderen Seite auch Babys und Kinder in den Statistiken eingeschlossen sind, die mehr Schlaf benötigen als Erwachsene.

Die zweite Gruppe von Aktivitäten umfasst "externe Auswirkungen", wie Galbraiths Team es nennt. Diese beanspruchen etwa 3,4 Stunden des durchschnittlichen Tages. Dazu zählen die Wissenschaftler unter anderem das Beschaffen und Zubereiten von Nahrung, Aufräumen, Putzen und Energieversorgung.

Insbesondere in dieser Gruppe konnten die Forschenden wesentliche Unterschiede zwischen Ländern hohem und niedrigem Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf ausmachen. So wird in ärmeren Ländern pro Kopf durchschnittlich mehr als eine Stunde am Tag aufgewandt, um sich um Nahrungsanbau zu kümmern, während in Ländern mit höherem BIP weniger als fünf Minuten dafür investiert werden.

Geht es um die Nahrungszubereitung oder Hygiene, schwinden die Unterschiede zwischen den Ländern. In der dritten Gruppe der organisatorischen Auswirkungen kann kein BIP-abhängiger Unterschied erkannt werden. Der Ver- und Einkauf von Gütern und der Transport, sowohl von Menschen als auch von Waren, beträgt rund 2,1 Stunden pro Tag.

Das Ziel der Datenanalyse war es, herauszufinden, wie man Zeit umschichten könnte, um eine nachhaltige globale Entwicklung sicherzustellen. "Globale Ergebnisse entstehen aus der Summe individueller Handlungen. Deshalb ist es entscheidend zu verstehen, wie sich globale Aktivitäten auf lokale Veränderungen auswirken und umgekehrt", schreibt die Gruppe in ihrem Aufsatz. Es bestehe ein klarer Spielraum, die Zeiten zwischen den Aktivitäten umzuverteilen. Schwierig werde es jedoch, den politischen und ökonomischen Rahmen dafür zu setzen.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version war von Unterschieden zwischen Ländern mit hohem oder niedrigem Bruttosozialprodukt die Rede. Es wurden in der Studie jedoch Bruttoinlandprodukte verglichen. Wir haben die Passage korrigiert.

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