Coronavirus:Eine Mutation genügt

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Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Charité in Berlin. (Foto: Stefan Boness/imago images/IPON)

Der Virologe Christian Drosten wehrt sich gegen Täuschungs-Vorwürfe zum Ursprung der Pandemie. Im Gespräch mit der SZ erklärt Drosten, weshalb er nicht daran glaubt, dass Sars-CoV-2 aus dem Labor stammt - und wie sich die Frage endlich klären ließe.

Von Hanno Charisius

Seit Beginn der Pandemie wird darüber debattiert, woher das neue Virus namens Sars-CoV-2 kam. Der Virologe Christian Drosten von der Charité in Berlin hält es für sehr wahrscheinlich, dass es sich um ein natürliches Phänomen handelt, und dass man Spuren der Entstehung in Wildtieren oder Zuchtbetrieben noch immer finden könnte, sagte Drosten im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Einen Ursprung der Seuche in einem Labor wolle er nicht ausschließen, "aber es ist derzeit nur eine Möglichkeit".

Die Debatte um den Ursprung des neuen Coronavirus wurde in der vergangenen Woche durch zwei Interviews angefacht, die der Hamburger Physiker Roland Wiesendanger dem Magazin Cicero und der Schweizer Tageszeitung NZZ gegeben hatte. Darin breitet der Forscher seine Spekulationen aus, Sars-CoV-2 stamme aus einem Labor in der chinesischen Stadt Wuhan. International führenden Virologen wie Drosten, die einen Ursprung des Virus aus dem Tierreich annehmen, warf er bewusste Irreführung und Vertuschung vor.

Wiesendanger verweist auf eine Anfang Februar 2020 erfolgte Schaltkonferenz internationaler Experten, die der US-amerikanische Präsidentenberater Anthony Fauci angeregt hatte. Ihm ging es darum, die Hypothese eines nicht natürlichen Ursprungs von Sars-CoV-2 im Kreise internationaler Experten im Detail zu diskutieren. Im Rahmen dieser Expertenrunde soll Drosten laut Wiesendanger dazu beigetragen haben, den vermeintlichen Labor-Ursprung zu verschleiern. Belege für diese Behauptung gibt es nicht.

Zeigt die Furinspaltstelle, dass das Virus gezielt manipuliert wurde?

Im Gespräch mit der SZ tritt Drosten den Anschuldigungen Wiesendangers entschieden entgegen. "Man kann in allen öffentlichen Äußerungen von mir sehen, dass ich immer offen war für beide Möglichkeiten. Ich habe nur immer auch dazugesagt, weshalb ich einen natürlichen Ursprung des Virus aus dem Tierreich aus belegbaren Gründen für wahrscheinlicher halte." In der fraglichen Schaltkonferenz mit internationalen Experten im Februar 2020 sei kein Druck ausgeübt und keine Möglichkeit ausgeschlossen worden. "Am Ende stand dann unser gemeinsames Fazit: Man könne weder 'ja' noch 'nein' sagen zur Laborhypothese."

Aus Sicht der Befürworter der Laborhypothese spricht vor allem ein molekulares Merkmal von Sars-CoV-2 für einen menschengemachten Ursprung im Labor. Die sogenannte Furinspaltstelle, die es dem Erreger ermöglicht, Zellen der Atemwege zu befallen, findet man in dieser Form bei jener Gruppe von Coronaviren, zu der auch Sars-CoV-2 gezählt wird, eigentlich nicht - bei anderen Coronaviren aber durchaus. Das lege laut Wiesendanger den Schluss nahe, dass die Spaltstelle eingebaut wurde.

Drosten hält diese Schlussfolgerung für nicht gerechtfertigt. "Die Diversität dieser Viren ist noch nicht gut erforscht, deshalb ist die Furinspaltstelle zwar auffällig, aber kein Beweis für einen nicht-natürlichen Ursprung", sagt Christian Drosten dazu. Im vergangenen Jahr wurden in seinem Labor Proben von Fledermäusen untersucht. Dabei stieß sein Team auf zwei Exemplare von Sars-verwandten Viren, bei denen nur eine Mutation nötig wäre, "und dann hätten diese Viren auch so eine Furinspaltstelle ähnlich der von Sars-CoV-2", so Drosten. "Wenn nur so geringe Änderungen im Genom notwendig sind, kann man sich durchaus darauf einstellen, dass so was in der Natur passiert."

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Auch die Tatsache, dass in einem Hochsicherheitslabor in Wuhan Experimente gemacht wurden, um Viren neue Eigenschaften zu verleihen, wertet Drosten nicht als Beleg für einen unnatürlichen Ursprung von Sars-CoV-2. "Es wurden in Wuhan durchaus Sachen gemacht, die man als gefährlich bezeichnen könnte. Aber dabei hätte nicht das Sars-CoV-2-Virus herauskommen können." In dem Labor in Wuhan seien zwar Fledermausviren neue Eigenschaften eingebaut worden, aber nicht solchen, die als Vorgänger von Sars-CoV-2 infrage kämen.

Drosten vermisst Untersuchungen an Schleichkatzen oder Marderhunden

Drosten hätte sich von den Verantwortlichen vor Ort, aber auch von den mit dem Institut in Wuhan kooperierenden US-Forschungseinrichtungen ein Mehr an Transparenz gewünscht. "Man hätte schon am Anfang, als diese öffentlichen Vorwürfe kamen, offensiv und proaktiv kommunizieren müssen, was dort im Labor gemacht wurde", sagt der Charité-Virologe.

Drosten ist davon überzeugt, dass sich auch zwei Jahre nach Beginn der Pandemie noch etwas über den Ursprung der Pandemie herausfinden lässt. Er vermutet wie viele andere Fachleute auch, dass Sars-CoV-2 ursprünglich in Fledermäusen entstand und über einen Zwischenwirt schließlich auf den Menschen sprang. Drosten vermisst brauchbare Untersuchungen über Coronaviren in den Tieren in China, die als Zwischenwirte infrage kämen, wie Schleichkatzen oder Marderhunde. "Sie werden bekanntermaßen in vielen Teilen Chinas vor allem von der Pelzindustrie gezüchtet und verkauft. Ich hätte eigentlich erwartet, dass mit vollem Enthusiasmus alles auseinandergenommen wird, um den Ursprung zu finden. Aber dazu gibt es erstaunlich wenig Daten, das finde ich auffällig". Auf jeden Fall werde man den Ursprung nicht von den USA oder Deutschland aus herausfinden. "Dazu braucht es den Willen Chinas."

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