Im Jahr 2015 starben weltweit in etwa 385 000 Menschen frühzeitig an den Folgen von Feinstaub und Ozon aus dem Verkehrsbereich. Diese Zahl nennt eine Studie der Umweltorganisation International Council on Clean Transportation (ICCT). Diesel-Pkw, -busse und -Lkw waren demnach im weltweiten Durchschnitt für knapp die Hälfte dieser frühzeitigen Todesfälle verantwortlich. In Deutschland, Frankreich, Italien und Indien waren sogar zwei Drittel aller frühzeitigen Todesfälle durch Emissionen des Verkehrs auf diese Fahrzeuggruppen zurückzuführen. Das ICCT war 2015 durch Aufdeckung des VW-Abgasskandals bekannt geworden.
In der Untersuchung führte das ICCT mit Forschern der George Washington Universität sowie der Universität Colorado neue Daten zum Emissionsverhalten von Fahrzeugen mit epidemiologischen Modellen zusammen, "um die Gesundheitsauswirkungen des Verkehrs auf globaler, nationaler und lokaler Ebene zu quantifizieren", wie es in einer ICCT-Mitteilung heißt. Die Wissenschaftler betrachteten hierfür sowohl die Emissionen von Pkw, Bussen und Lkw, als auch von Schiffen sowie von landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Baumaschinen.
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In Deutschland starben laut ICCT im Jahr 2015 etwa 43 000 Menschen frühzeitig an den Folgen von Feinstaub und Ozon, circa 13 000 davon durch Emissionen aus dem Verkehrsbereich. Damit liege Deutschland im weltweiten Vergleich nach China, Indien und den USA an vierter Stelle, wenn man die Anzahl an frühzeitigen Todesfällen in Folge von Emissionen aus dem Verkehrsbereich betrachte.
Bezogen auf die Einwohnerzahl weist Deutschland den Berechnungen zufolge jedoch die höchste Sterberate auf - mit 17 frühzeitigen Todesfällen je 100 000 Einwohnern. "Diese Sterberate ist dreimal so hoch wie im globalen Durchschnitt und knapp 50 Prozent über dem Durchschnitt aller EU-Länder", heißt es in der Mitteilung. Die gesellschaftlichen Kosten, die durch die negativen Auswirkungen des Verkehrs auf die menschliche Gesundheit verursacht werden, summieren sich in Deutschland laut ICCT-Berechnungen auf 110 Milliarden Dollar oder etwa 97 Milliarden Euro.
Die direkten Gesundheitsauswirkungen von Stickstoffdioxid (NO2) wurden nicht betrachtet. Da aus diesem Luftschadstoff jedoch kleine Feinstaubpartikel und Ozon entstehen können, flossen die Effekte indirekt in die Studie ein.
Das Konzept dieser Studie stimme, sagt Joachim Heinrich vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität München, der nicht an der Untersuchung beteiligt war. Für ihre Berechnungen hätten sich die Forscher auf anerkannte Verfahren gestützt.
Insbesondere lobt er die zeitlichen und räumlichen Vergleiche in der Untersuchung. Schwieriger sei es mit den absoluten Todeszahlen, die seien schwer zu interpretieren. "Solche Zahlen führen schnell zu Missverständnissen, weil aus dem Blick gerät, wie kompliziert die Modell dahinter sind." Er hält die Angabe der Lebensjahre oder Monate, die jeder einzelne Mensch aufgrund von Umweltbelastungen statistisch gesehen verliert, für angemessener. Beides seien jedoch übliche Berechnungsweisen. Diese neue Studie stütze sich zudem auf aktuellere Emissionsdaten als frühere Untersuchungen. In die aktuelle Berechnung flossen etwa Schadstoffreduktionen durch die mittlerweile in vielen Ländern vorgeschriebenen Partikelfilter mit ein.
Die Vergleiche zwischen einzelnen Städten kritisiert Heinrich jedoch. Man könne eine Stadt wie Köln nicht einfach mit einer 18-Millionen-Stadt in China vergleichen, da sei nicht nur die Altersstruktur der Bevölkerungsgruppen komplett verschieden.
Nach Angaben des ICCT passen die ermittelten Zahlen zu vorherigen Studien, auch wenn die neuen Werte meist geringfügig über den älteren lägen. Die gesundheitlichen Probleme würden jedoch vermutlich noch unterschätzt: Die Belastung durch Lärm etwa floss nicht in die Studie ein, ebenso wenig wie Unfälle oder Belastungen durch die Treibstoffproduktion.
Der Vergleich zwischen den Jahren 2010 und 2015 zeigt jedoch, dass trotz deutlich höherem Verkehrsaufkommen, die gesundheitliche Belastung der Menschheit durch den Verkehr nicht wesentlich angestiegen ist. Dies zeige, dass technische Maßnahmen die Belastung senken können, doch bis diese Wirkung zeigen, "dauert es", sagt Peter Mock, Direktor des ICCT Europe. Er betont auch, dass dies kein Grund sein dürfe, die Bemühungen jetzt zu bremsen. "Die Feinstaubwerte liegen noch immer deutlich über den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation."
Der ICCT-Bericht warnt zudem davor, dass das zunehmende Verkehrsaufkommen die Fortschritte bei der Luftreinhaltung durch bessere Motoren, Katalysatoren und Filter wieder zunichte machen könnte. Daher sei neben technischen Lösungen in modernisierten Fahrzeigflotten auch ein Umdenken in der Verkehrsplanung gerade in den Ballungsräumen notwendig - durch verbesserte Radwegnetze etwa aber auch durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. "Ohne solche Bemühungen", so heißt es in dem Bericht, "könnte die Gesundheitsbelastung durch verkehrsbedingte Luftverschmutzung in Zukunft zunehmen."