Larissa Martinez ist Absolventin der McKinney Boyd Highschool in Texas, eine Musterschülerin mit guten Noten. Doch die 18-Jährige hütete lange Zeit ein Geheimnis, das sie nun in ihrer Highschool-Abschlussrede gelüftet hat. Das Video von ihrer Ansprache macht im Moment im Internet die Runde. In der Rede spricht sie von ihrer Kindheit: Der Vater war Alkoholiker, die Mutter arbeitete von morgens bis spät in die Nacht, Larissa kümmerte sich um die jüngere Schwester, da war sie selbst gerade mal zwölf Jahre alt. Und dann sagt sie: "Ich bin einer der elf Millionen illegalen Einwanderer, die in den USA ein Schattendasein führen." Larissa hat es trotzdem geschafft, sie hat mittlerweile sogar ein Stipendium für die Yale-Universität in der Tasche.
Doch solche schönen Geschichten gibt es auf der Welt nur wenige. Eine Expertenkommission um den Migrationsforscher Neil Boothby von der Columbia University's Mailman School of Public Health hat nun einen Appell veröffentlicht, der mehr Engagement der reichen Staaten für junge Menschen wie Larissa fordert. Etwa 200 Millionen Kinder weltweit überlebten heute zwar ihren fünften Geburtstag, aber sie gedeihen nicht, schreiben die Autoren. In der Tat stimmen die Zahlen zunächst hoffnungsvoll: Vor gut 25 Jahren starben weltweit noch etwa zwölf Millionen Kinder unter fünf Jahren an Hunger und Infektionskrankheiten. Im Jahr 2015 waren es etwa sechs Millionen. Die internationalen Bemühungen gegen Hunger und Säuglingssterblichkeit zeigen Erfolge - zum Glück.
Wer als Kind Bomben statt Bücher kennt, vergisst das nie mehr
Doch das reicht nicht. Ein Kinderkörper überlebt als Konstruktion aus Haut und Knochen, wenn er genug zu essen bekommt. Doch zum Menschsein gehören auch geistige Nahrung, Schule, Förderung. Andersherum zerstören Gewalt, Angst und Kinderarbeit, wie zum Beispiel auf Tabakplantagen, eine Jugend. Was im Kindesalter passiert, prägt ein ganzes Leben - positiv wie negativ. Wer Bomben statt Bücher kennt, vergisst das nie mehr. Damit aus Kindern von heute nicht abgehängte und kranke Erwachsene von morgen werden, müssen Staaten jetzt handeln. Der Kampf gegen den Hunger kann nur ein erster Schritt sein.
Die Welt ist zu globalisiert, der Mensch zu mobil, um diese Tatsache zu ignorieren. Wer hungert, ist seinem Schicksal meist ausgeliefert. Wer intellektuelle Nahrung sucht, dagegen nicht. Und so kommt es, dass viele der Menschen, die nach Europa flüchten, nicht nur für sich selbst, sondern für ihre Kinder eine Zukunft suchen. Sie hoffen darauf, dass ihr Nachwuchs eines Tages eine Schule besuchen kann. Ein Stipendium für eine Eliteuni muss es ja gar nicht sein.