Urteil zu Lebensversicherungen:Geld zurück bei Kündigung

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Hoffnung für Versicherte durch ein neues Urteil: Bei Kündigung der Lebensversicherung fielen bisher versteckte Kosten wie Provisionen an. Nun könnte es mehr Geld geben. Millionen Kunden könnten profitieren.

Marco Völklein

Es ist nur ein kurzer Satz. Er klingt gönnerhaft und irgendwie zum Vorteil des Kunden: "Die mit dem Abschluss Ihres Vertrags verbundenen Kosten werden Ihnen nicht gesondert in Rechnung gestellt." Und dennoch hat es dieser Satz in sich. Denn er sorgt dafür, dass Millionen Versicherungskunden nichts oder nur sehr wenig Geld zurückbekommen, wenn sie ihre Lebensversicherung vor Ende der Laufzeit kündigen. Seit Jahren kämpfen Verbraucherschützer gegen diese Praxis. Und nun haben sie einen wichtigen Sieg errungen, der Millionen Betroffenen helfen könnte, mehr Geld von der Versicherung zurück zu verlangen. Die wichtigsten Fragen:

Bei einer Kündigung ihrer Lebensversicherung verloren Kunden bislang viel Geld. Das könnte sich durch ein Urteil des Hamburger Landgerichts ändern. (Foto: Foto: dpa)

Was ist genau passiert?

Ärger bei früher Kündigung: Provisionen und Gebühren schlucken dann häufig eine Rückzahlung völlig. (Foto: Foto: AP)

Vergangenen Freitag hat das Landgericht Hamburg bei drei Gesellschaften die Bedingungen in den Versicherungsverträgen moniert. Die beanstandeten Klauseln führen aus Sicht des Gerichts dazu, dass der Kunde bei den Rückkaufswerten benachteiligt wird (Aktenz. 324 O 1116/07, 1136/07, 1153/07). Aus Sicht von Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg stehen die drei Gesellschaften stellvertretend für die ganze Branche. Nach ihrer Schätzung können 24 Millionen Kunden, die ihre Verträge in den vergangenen Jahren gekündigt haben, "einen Nachschlag verlangen".

Was sind "Rückkaufswerte"?

In der Regel haben Verträge für Kapitallebens- oder eine private Rentenversicherung eine Laufzeit von mindestens zwölf Jahren. Verbraucherschützer schätzen aber, dass etwa nur die Hälfte der Versicherten diese Zeit durchhält. Die andere Hälfte löst den Vertrag meist vorzeitig auf - nicht selten mit Verlust: Denn die Verträge sind so konstruiert, dass die Versicherungen Gebühren und Provisionen, die beim Abschluss anfallen, zunächst aus den Einzahlungen der Kunden abzweigen. Löst der Kunde also nach nur einem oder zwei Jahren den Vertrag auf, ist kein Geld vorhanden, dass die Versicherung zurückzahlen könnte - der Rückkaufswert, also die Summe, die der Kunde erhält, ist somit sehr niedrig oder liegt gar bei Null. Das sorgt für Ärger.

Was wurde nun entschieden?

Bereits im Jahr 2005 musste der Bundesgerichtshof (BGH) diesen Ärger klären. Die BGH-Richter verdonnerten die Branche dazu, für Verträge, die bis zum Jahr 2001 abgeschlossen wurden, höhere Rückkaufswerte anzusetzen als bis dahin üblich - nämlich mindestens 50 Prozent, entschieden die Richter.

Die Versicherer akzeptierten dies; ließen sich aber eine Ausnahme einfallen: Für Verträge, die nach 2001 abgeschlossen wurden, seien die Vorgaben des BGH nicht gültig. Bei diesen Verträgen handele es sich um eine "neue Produktgeneration". Doch das Landgericht Hamburg sah das anders: Es entschied am Freitag, dass auch für Verträge, die zwischen 2001 und 2007 abgeschlossen wurden, die BGH-Vorgaben gelten. Übrigens: Seit Januar 2008 gelten wieder neue Regeln - nun schreibt der Gesetzgeber vor, dass mindestens 85 Prozent der eingezahlten Beträge als Rückkaufswert erstattet werden müssen.

Sind die Urteile rechtskräftig?

Bislang nicht. Expertin Castelló wie auch der Branchenverband GDV gehen davon aus, dass die beklagten Konzerne vor den BGH ziehen werden. Bis dort ein Urteil gefällt wird, kann es ein bis zwei Jahre dauern. Castelló und der Bund der Versicherten (BdV) raten deshalb allen Betroffenen zum Handeln.

Was sollten betroffene Kunden tun?

"Das allerwichtigste ist, dass die Leute an ihre Versicherung schreiben: "Ich will mein Geld zurück!'", sagt Castelló. Die Verbraucherzentrale Hamburg hält dazu im Internet unter www.vzhh.de Musterbriefe bereit. Zudem beraten die Verbraucherzentralen. Die Versicherungen selbst werden wohl nicht auf die Kunden zugehen, sagt Castelló: "Die Strategie ist Aussitzen und auf Verjährung hoffen."

Wie kann man sich noch wehren?

In vielen Fällen kommt es vor, dass der Versicherer die Forderung nach einer höheren Rückzahlung zurückweist, erläutert Florian Overbeck vom BdV. Dann können die Betroffenen versuchen, dass die Verjährungsfrist nicht verstreicht. Dazu können sie schriftlich bei der Gesellschaft den "Verzicht der Einrede der Verjährung" fordern, so Overbeck. Lässt sich die Gesellschaft auch darauf nicht ein, bleibt als letztes Mittel die Klage.

Wie viel Geld gibt es zurück?

Auch das wird wohl erst der BGH klären. Castelló liest das Hamburger Urteil so, dass auf die drei Musterklagen nun die seit 2008 geltende gesetzliche Regelung anzuwenden sei - also müsste der Rückkaufswert bei 85 Prozent der eingezahlten Beiträge liegen. Nach der Entscheidung des BGH für die Fälle vor 2001 gilt eine Quote von 50 Prozent. Castelló rechnet damit, dass die erstatteten Beträge letztlich "irgendwo dazwischen" liegen.

© SZ vom 24.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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