Richard-Strauss-Tunnel in München:Der Tunneleffekt

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Wird der Verkehr unter die Erde verlegt, steigen Mieten und Preise im Umfeld. Allerdings nicht astronomisch.

Von Ingrid Weidner

Am kommenden Wochenende gibt es unter der Erde noch eine Party, und dann eröffnet am 18. Juli der Richard-Strauss-Tunnel am östlichen Mittleren Ring in München. Seit September 2003 wurde an der Untertunnelung gearbeitet. Risse an den angrenzenden Häusern sind nur provisorisch verspachtelt, die schwarzen Rußspuren am Putz vieler Gebäude in der Nähe des Leuchtenbergrings warten noch auf einen neuen Anstrich. Schon bald wird die Neugestaltung das Areal jedoch aufwerten. Dies wirkt sich, wenn auch moderat, auch auf den lokalen Immobilienmarkt aus.

Zwar kein Park wie am Petuelring, aber dennoch sehr viel ruhiger und grüner: So soll das Areal rund um die Richard-Strauss-Straße bald aussehen. Makler können Objekte nun leichter vermitteln und neue Mieter ansprechen. (Foto: Simulation: winhard 3d+)

Staub, Lärm und Autos verschwinden auch nach der Tunneleröffnung nicht ganz, denn aufgrund zahlreicher Zufahrtswege gibt es entlang der Richard-Strauss-Straße in beide Richtungen jeweils eine Fahrbahn an der Oberfläche. Doch statt bisher durchschnittlich 66.000 Kraftfahrzeuge am Tag erwartet das Planungsreferat der Stadt München dort nur noch 5000 bis 7000 Fahrzeuge.

Für die Anwohner bedeutet das eine enorme Entlastung. Der Großteil des motorisierten Straßenverkehrs verschwindet in den Untergrund. Dort sollen zukünftig etwa 96.000 Fahrzeuge pro Tag durch den Tunnel rauschen. Die Planer rechnen damit, dass sich die Verkehrsströme anders verteilen werden und der Altstadtring entlastet wird. Das Verkehrsaufkommen im Tunnel am Mittleren Ring wird deshalb wohl ansteigen.

Neue Mieter werden angezogen

Die Verwandlung ihrer Umgebung haben Mieter und Eigentümer am Petuelring schon hinter sich. Dort schlängelt sich seit 2004 ein etwa 900 Meter langer Park von der Belgrad- bis zur Leopoldstraße, der die beiden Stadtteile Westschwabing und Milbertshofen verbindet. Vor dem Tunnelbau trennte eine sechsspurige Ringstraße die beiden Stadtteile; zwischen 90.000 und 120.000 Fahrzeuge wurden dort an manchen Tagen gezählt. Inzwischen sorgen die circa 74.000 Quadratmeter Grünflächen für ein gesünderes Lebensklima.

Verbessert sich die Lebensqualität nach einem Tunnelbau, heißt das nicht automatisch, dass die Preise in den Himmel wachsen. Doch meistens verändert sich mit der Zeit das Preisgefüge, vorher als unattraktiv eingeschätzte Gegenden ziehen neue Mieter an. "Den Tunneleffekt sollte man nicht unterschätzen", sagt Stephan Kippes vom IVD Immobilienverband Süd in München. Nach seiner Beobachtung wirkten sich bereits Gerüchte oder die bloße Ankündigung eines Tunnelprojekts schon auf das Preisniveau aus. Einen Automatismus für Mieterhöhungen gebe es aber keineswegs, Schätzungen seien aufgrund der vielen Einflussfaktoren schwierig.

Auch Heike Piasecki vom Marktforschungsinstitut BulwienGesa in München sieht die Vorteile in erster Linie in der gestiegenen Lebensqualität der Anwohner rund um den Petuelpark. Geringere Fluktuation und Mieterwechsel seien ein weiterer positiver Effekt eines Tunnels. "Mit dem Grünzug hat sich die Lebensqualität verbessert. Die Mieten dort bewegen sich allerdings im Münchner Durchschnitt", sagt Piasecki. Für Bestandsimmobilien sind es circa zehn Euro, große Preissprünge seit der Eröffnung des Petuelparks im Jahr 2004 weisen die Tabellen der Marktforscherin nicht aus.

Preissteigerungen zu erwarten

Auch an den vielen "zu verkaufen"- und "zu vermieten"-Schildern rund um die Richard-Strauss-Straße wird deutlich, dass diese Gegend noch etwas Zeit für die Metamorphose braucht. In manche Vorgärten blühen zwar schon Rosen und Lavendel; doch die Bauarbeiten für den Rückbau der Straßen an der Oberfläche sollen erst im Oktober 2010 abgeschlossen sein. Breite Geh- und Fahrradwege, Parkbuchten und neu gepflanzte Bäume säumen dann die nur noch schmale Straße. Einen Park wie am Petuelring wird es allerdings an der ehemaligen Ringstraße nicht geben.

Dennoch wird die Lebensqualität deutlich höher sein; diese weichen Faktoren liefern den Maklern bessere Argumente, ihre Wohn- und Gewerbeimmobilien zu vermitteln. "Preissteigerungen von zehn bis höchstens 15 Prozent halte ich für realistisch", erklärt Jan Schneider, Geschäftsführer der Münchner Bank Immobilien GmbH, der den Tunnelbau an der Richard-Strauss-Straße von seinem Bürofenster aus beobachten konnte.

Schneider hat auch ein Beispiel parat: 2003 verkaufte er eine Wohnung direkt an der Richard-Strauss-Straße, Baujahr 1952. Der Eigentümer wünschte sich 2050 Euro pro Quadratmeter, Schneider war damals skeptisch, ob sich in dieser Lage und für den ambitionierten Preis ein Interessent finden lässt. Denn zu dieser Zeit rückten riesige Baumaschinen an; die Baustelle vor der Haustür versprach einige Jahre lang Lärm und Schmutz. Doch die Wohnung war innerhalb von acht Wochen zum vorgegebenen Preis verkauft.

Leichter zu vermieten

Brächte der jetzige Eigentümer die Immobilie heute wieder auf den Markt, würde ihm die neue Straßenführung keine übermäßig hohen Renditen bringen, vermutet Schneider. Die Lage sei zwar eines der wichtigsten Kriterien, doch andere Faktoren wie Grundriss und Ausstattung spielten eine ebenso wichtige Rolle, weiß Schneider aus Erfahrung. "Der Tunnelbau bringt auf jeden Fall eine Wertsteigerung", meint Schneider, auch wenn diese moderat ausfalle.

Doch selbst wenn die Mieten keine großen Veränderungen zeigen, verbessern sich mit großen Tunnelprojekten die Verkaufsbedingungen für Makler. Peter Bigelmaier, Geschäftsführer vom Immobilien-Kontor Collier Schauer und Schöll in München, kann seine Gewerbeflächen an der Richard-Strauss-Straße nun leichter vermieten. Neben weniger Lärm und Feinstaub zählten als Verkaufsargumente auch "gefühlte Verbesserungen", denn Interessenten könnten sich leichter mit der Lage anfreunden und schätzten diese heute als attraktiver ein als noch vor einigen Jahren.

In der Gegend wird und wurde daher viel gebaut oder renoviert. So entstehen zum Beispiel an der Ecke zur Denninger Straße mit dem Forum Bogenhausen weitere 30.000 Quadratmeter Einzelhandels- und Büroflächen. In zwei bis drei Jahren werden die Grundstücke um den neuen Tunnel eine Wertsteigerung erfahren, davon ist Bigelmaier überzeugt. "Die negativen Eindrücke wie ständiger Stau und Schmutz verschwinden mit der Zeit."

© SZ vom 8. 7. 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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