Neue Regeln für Medikamente:Pillenchaos in den Apotheken

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Die Reform der Arzneimittelgesetze birgt so manche Tücken: Experten befürchten, dass Patienten mit den neuen Regeln für den Medikamentenverkauf überfordert sind. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Guido Bohsem

Seit Anfang des Jahres gelten auf dem deutschen Medikamentenmarkt neue Spielregeln. Die Arzneimittelreform der schwarz-gelben Koalition ist in Kraft getreten. Gleichzeitig mit der Reform gelten auch neue Rabattverträge der Krankenkassen. Apotheker und Verbraucherschützer warnen nun vor den Auswirkungen dieser beiden Regelungen. Die Experten befürchten ein "Pillenchaos" in den Apotheken und sie weisen auf schädliche Auswirkungen der beiden Neuerungen vor allem für ältere Patienten hin. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Verbraucherschützer warnen vor den neuen Regelungen der Arzneimittelreform. Sie befürchten ein "Pillenchaos". (Foto: ddp)

Kriege ich auch weiter meine gewohnten Medikamente?

Es kann durchaus sein, dass der Apotheker künftig ein anderes Medikament verkauft als noch 2010. Das ist der Fall, wenn die Barmer/GEK, Techniker, AOK und Co. für das neue Mittel einen besseren Rabatt ausgehandelt haben. Nach den gesetzlichen Vorschriften müssen die neuen Mittel denselben Wirkstoff enthalten, und die Packungsgröße sollte die gleiche sein.

Auch die Darreichungsform muss zumindest ähnlich sein. Wenn der Patient also vorher Tabletten genommen hat, sollte das neue Medikament ebenfalls aus Tabletten, allenfalls aber aus Dragees bestehen. Die Regelung gilt in dieser Form bereits seit 2006. Ihr Ziel ist es, den Anstieg der Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente zu begrenzen. Sie ist darin sehr erfolgreich gewesen und spart den Kassen Milliarden.

Was ändert sich durch die Reform?

Der Patient kann jetzt auf seinem alten Mittel beharren. Er muss für diesen Fall seinem Apotheker sagen, dass er sich für eine Mehrkostenregelung entscheidet. Das heißt, er zahlt die Differenz zwischen dem von ihm gewünschten teuren Medikament und dem billigeren Mittel, das seine Kasse vorgesehen hat.

Wie hoch wären die Kosten?

Darauf gibt es keine generelle Antwort. Die endgültige Summe hängt von vielen Faktoren ab: unter anderem von der Art des Medikaments, der Größe der Packung, der Höhe des von der Kasse ausgehandelten Rabatts, der Zuzahlung und des Großhandelsrabatts. Auch verlangen die Kassen unterschiedlich hohe Bearbeitungsgebühren. Der Apotheker kann die Mehrkosten für den Patienten deshalb allenfalls grob überschlagen.

Wie läuft die Bezahlung ab?

In der Apotheke zahlt der Patient den Preis für das von ihm gewünschte Medikament in bar. Die Rechnung reicht er dann bei seiner Kasse ein. Diese kalkuliert dann die Kosten, die bei einer regulären Erstattung des Medikaments angefallen wären (siehe oben) und überweist diesen Betrag an den Patienten.

Wie unterscheidet sich das von der schon jetzt üblichen Zuzahlung?

Sie hat mit dem Preisunterschied zwischen zwei Medikamenten nichts zu tun, sondern es handelt sich um eine Beteiligung des Patienten an den Kosten der Kasse. Die Zuzahlung ist einigermaßen leicht zu kalkulieren. Fällig sind in der Regel zehn Prozent des Preises, mindestens aber fünf Euro (es sei denn, das Mittel ist billiger) und höchstens zehn Euro.

Was ist, wenn ich das neue Medikament nicht vertrage?

Das müsste eigentlich ausgeschlossen sein. Denn, obwohl die Pillen unter Umständen anders aussehen, der Wirkstoff in ihnen ist identisch. Trotzdem klagen erstaunlich viele Patienten darüber, dass sie das neue (und billigere) Medikament schlechter vertragen als das alte (und teurere). In diesem Fall steht es im Ermessen des Arztes, die Rabattregelung außer Kraft setzen.

Er muss dazu auf dem Rezept die sogenannte Aut-idem-Regelung ausschließen. "Aut idem" bedeutet "oder das Gleiche". Hat der Arzt sie nicht ausgeschlossen, muss der Apotheker immer das Rabatt-Medikament der Kasse aushändigen, egal was der Arzt sonst auf dem Rezept vermerkt hat.

Wovor warnen die Verbraucherschützer und Apotheker?

Sie befürchten, dass insbesondere ältere Menschen mit der Dosierung der neuen Mittel Schwierigkeiten haben könnten. So könne schon eine andere Farbe der Tablette dazu führen, sie falsch einzunehmen. Die Apotheker werfen den Kassen vor, die Patienten nicht rechtzeitig über die Folgen der Mehrkostenregelung informiert zu haben. Sie befürchten nun, dass sie diese zeitintensive Arbeit übernehmen müssen.

© SZ vom 04.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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