Griechenlands Staatsschulden:Wer fällt als Nächster?

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Die Angst vor einem griechischen Staatsbankrott drückt die Finanzmärkte. Anleger fürchten weitere Pleiten von Euro-Ländern. Den Dominoeffekt kann sich Europa nicht leisten.

M. Hesse und C. Hoffmann

Die gewaltigen Haushaltsdefizite in Griechenland und Portugal verunsichern die Anleger, auf breiter Front brechen Aktien- und Anleihenkurse ein. Angst vor einer möglichen Staatspleite und einer fatalen Kettenreaktion erschüttert die Börsen. Erinnerungen an die Lehman-Pleite werden wach, die im September 2008 nach gescheiterten Rettungsversuchen zusammenbrach und eine globale Finanzkrise auslöste. "Bis Ende 2009 sind Anleger weltweit immer größere Risiken eingegangen", sagt Klaus Kaldemorgen, Geschäftsführer von Deutschlands größter Fondsgesellschaft DWS. "Jetzt treten sie auf die Bremse."

Die Graphiken zeigen die Kursrückgänge in Spanien, Portugal und Griechenland. Im Bild: Im Dezember 2009 herrschte ein Chaos auf Griechenlands Straßen, da die Müllabfuhr streikte. Der Staatshaushalt sieht nun ähnlich chaotisch aus. (Foto: SZ-Graphik: Beck, Quelle: Thomson Reuters Datastream, Foto: AP)

In Frankfurt fiel der Deutsche Aktienindex seit Mittwoch um fünf Prozent. Noch schärfere Kursrückgänge erlitten die Anleger seit Mitte Oktober in Spanien, Portugal und Griechenland (Grafik). Nicht nur Aktienkurse kamen unter die Räder, verkauft wurden auch Staatsanleihen aus Euroländern, die unter besonders hohen Defiziten und Schulden leiden. Die Anleger fragen sich, ob die Staaten diese künftig finanzieren können. Die Nervosität bekam auch der Euro zu spüren, der am Freitag weniger als 1,37 Dollar kostete - Anfang Dezember notierte er noch bei 1,50.

Das Wackeltrio: Griechenland, Spanien, Portugal

"Fast alle wichtigen Schuldenkennzahlen in der Peripherie Europas sind aus dem Lot geraten", sagt ein hochrangiger deutscher Banker. In Griechenland ist das Haushaltsdefizit 2009 auf 12,7 Prozent gestiegen, in Spanien auf 11,4 Prozent und in Portugal auf 9,3 Prozent. Bei der Gesamtverschuldung steht Griechenland mit Abstand am schlechtesten da. Gemessen an der Wirtschaftsleistung liegen die Schulden bei 113 Prozent - etwa doppelt so hoch wie in Spanien.

Doch es ist nicht die Höhe der Schulden allein, die jetzt Probleme bereitet. Heikel ist vor allem, dass sich die Wackelkandidaten in diesem Jahr extrem viel neues Geld an den Kapitalmärkten beschaffen müssen.

Allein die spanische Regierung muss auslaufende Anleihen und kurzfristige Schuldtitel im Volumen von fast 100 Milliarden Dollar ersetzen. Hinzu kommt, dass vermutlich ein Haushaltsdefizit von 94 Milliarden Euro finanziert werden muss, schätzt die italienische Großbank Unicredit. Für Griechenland schätzen Analysten den Refinanzierungsbedarf in diesem Jahr auf insgesamt gut 50 Milliarden Euro, für Portugal auf 35 Milliarden Euro.

Refinanzierung in "unnormalen" Zeiten

In normalen Zeiten sind selbst solche Beträge an den Kapitalmärkten leicht zu beschaffen. Noch vor wenigen Jahren waren beispielsweise Staatsfinanzierer wie die Hypo Real Estate aber auch Landesbanken heiß auf Staatsanleihen, die ein wenig mehr Rendite boten als deutsche Bundesanleihen.

Doch die Zeiten sind nicht normal. Die Zitterprämien für griechische oder spanische Anleihen sind drastisch gestiegen. Anleger haben mit den Staatsanleihen der Mittelmeerländer in den vergangenen Tagen viel Geld verloren - weil die Kurse einbrachen.

Jene Banken und Versicherungen, die auf hohen Beständen südeuropäischer Anleihen sitzen, kommen kaum davon herunter. Die Handelsumsätze sind gering, wer größere Mengen Anleihen auf den Markt wirft, bringt die Kurse stark unter Druck. "Die Handelsabteilungen der Investmentbanken haben die Gefahr schon früher erkannt und sind ausgestiegen", sagt ein Insider. Jetzt säßen vor allem jene Banken auf den Papieren, die sich in der Finanzkrise bereits mit verschachtelten amerikanischen Immobilienkrediten verspekuliert hätten.

Vor allem Hedgefonds spekulierten auf fallende Kurse bei südeuropäischen Staatsanleihen. Vorzugsweise nutzen die Fonds dafür aber nicht die Anleihen selbst, sondern wetten mit Hilfe von Kreditversicherungen auf eine sinkende Bonität der Länder. Das brachte in den vergangenen Tagen einen schnellen Gewinn. Die Preise für Credit Default Swaps (CDS), einer Art Versicherung gegen die Pleite eines Staates, sind kräftig gestiegen, besonders hoch schnellten sie im Falle Griechenlands. Früher hat man Schuldenkrisen über die Währung gespielt, jetzt setzt man dafür CDS ein.

Europa kann sich Dominoeffekt nicht leisten

"Mehr und mehr Anleger setzen auf den Trend", sagt Kaldemorgen. "Das ist gefährlich, denn es schafft auch realwirtschaftliche Fakten." Je höher die Renditen steigen, die Anleger von den Staaten fordern, desto teurer wird es für die Regierungen, ihre Schulden zu finanzieren. Ab einer bestimmten Zinshöhe kann es sich Griechenland nicht mehr leisten, neue Kredite aufzunehmen. "Das kann leicht zu einem Teufelskreis führen", weiß der DWS-Manager. "Die Politik wird am Ende Griechenland helfen, weil sie sich einen Dominoeffekt nicht leisten kann."

Wird Griechenland zahlungsunfähig, würden Anleger darüber nachdenken, ob nicht auch Portugal, Spanien oder Italien bald die Luft ausgehen könnte. Um das zu verhindern, glauben Banker an eine politische Lösung, also Überbrückungskredite vom IWF oder den Kernstaaten der EU. "Niemand will mit Griechenland ein Exempel statuieren à la Lehman", sagt Kaldemorgen. "Dazu fehlt mir die Phantasie."

Wette auf Staatsbankrott

Noch wird an den Finanzmärkten aber nicht auf die Rettung gewettet, sondern auf einen drohenden Staatsbankrott - ein Horrorszenario für den Anleihenmarkt. Auch für die Aktienbörsen? "Mich wundert es, dass die Aktienmärkte so in Mitleidenschaft gezogen werden", sagt Kaldemorgen. "Die Wirtschaft wird in diesem Jahr einen leichten Aufschwung sehen, die Unternehmensergebnisse waren über Plan, teilweise sogar richtig gut." Die Konzerne seien profitabler als erwartet, weil sie auf der Kostenseite große Fortschritte gemacht hätten.

Zudem hätten viele private Unternehmen ihre Schulden im Griff. "Die Fundamentaldaten rechtfertigen keinen starken Kursrückgang", glaubt deshalb der Fondsmanager und nennt ein wohlbekanntes Argument: die Liquidität.

Weil sichere Geldanlagen nicht mehr anständig verzinst würden, läge es nahe, dass Anleger bald wieder Geld mit höherem Risiko in die Kapitalmärkte schleusen. Der Kursrückgang sei gesund und Anlass über Aktienkäufe nachzudenken, die sich Anleger zu Jahresbeginn nicht getraut hatten - wegen der hohen Kurse. Kaldemorgen ist überzeugt: "Viele Dividendentitel sind auf einem Niveau, das danach schreit: Kauf mich!"

© SZ vom 06./07.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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