Geldwerkstatt:Es lebe das Sparschwein - oder doch nicht?

Lesezeit: 3 min

Illustration: Lisa Bucher (Foto: SZ-Grafik)
  • Die Möglichkeiten zum Sparen sind heute so vielfältig wie nie zuvor - trotzdem war es selten so unattraktiv wie heute.
  • Trotz Niedrigzinsen setzen immer noch viele auf das Sparbuch, auch weil es häufig am nötigen Finanzwissen und der Vorstellungskraft für die Zukunft fehlt.

Von Jan Willmroth

Wenn junge Menschen an später denken, an das Alter, dann fürchten sie sich zunehmend. Vor Krankheit, vor Unsicherheit, vor dem, was sich hinter dem Begriff der Altersarmut verbirgt: Das Geld könnte später nicht mehr reichen.

Mehr als 60 Prozent der 18- bis 34-Jährigen meinen, im Alter nicht ausreichend abgesichert zu sein, ergab kürzlich eine Umfrage. Nur noch eine Minderheit glaubt, die staatliche Rente werde genügen, um ihren gewohnten Lebensstandard zu erhalten, wenn sie später einmal nicht mehr arbeiten.

Man kann also davon ausgehen, dass ein durchschnittlicher junger Mensch wenigstens grob einschätzen kann, dass er ohne zu sparen im Alter auf vieles wird verzichten müssen. Der Gedanke daran macht nicht unbedingt gute Laune, und das ist ein Problem. Menschen neigen dazu, finanzielle Informationen zu vermeiden, die unangenehme Gefühle hervorrufen.

Altersvorsorge
:Rente im Selbstversuch

Ein Berufseinsteiger lässt sich bei verschiedenen Banken zur Altersvorsorge beraten. Alle drei Kandidaten nehmen sich viel Zeit - und zeigen dann doch gravierende Schwächen.

Von Benedikt Müller

Sparen heißt abwägen - zwischen Gegenwart und Zukunft

Finanzmarkt-Verhaltensforscher sprechen vom "Vogel-Strauß-Effekt": Zu sparen, weil man weiß, dass im Alter das Geld nicht reicht, setzt voraus, sich mit dieser Gefahr auseinanderzusetzen. Das macht sie konkret und ist deshalb unangenehm. Um klug zu sparen, muss man sich ein Stück weit selbst austricksen und Lust darauf entwickeln. Konkrete Ziele können dabei helfen, Dinge, die man sich vielleicht erst in zehn, in zwanzig Jahren wird leisten können. Gründe zu sparen, anzulegen, zu investieren, gibt es zuhauf. Und nie gab es derart viele einfache Möglichkeiten, sein Geld anzulegen, wie heute. Bankgeschäfte funktionieren weitgehend elektronisch, die Gebühren für Konten und Depots sind gesunken, der Zugang zu Wertpapieren, zu Fonds, Aktien oder Rohstoffen, funktioniert so günstig und direkt wie nie.

Selten aber erschien das Sparen so unattraktiv. Die Vielfalt ist Teil des Problems, denn sie kann überfordern. Aber zunächst sind da die Zinsen: Sie bewegen sich auf einem historisch niedrigen Niveau. Die einfachsten und sichersten Anlageformen rentieren sich kaum noch. Wer sein Geld auf Tagesgeldkonten einzahlt, auf Festgeldkonten überweist oder auf sein Sparbuch vertraut, wird lange Zeit nicht mehr viel davon haben. Lebens- oder Rentenversicherungen stehen vor einer ungewissen Zukunft und lohnen sich für viele Anleger nicht mehr.

Geldanlage
:Wie Sie mit dem Niedrigzins umgehen können

Die Aktie ist der Königsweg, die Immobilie ein Risiko und blinder Konsum sowieso eine schlechte Idee. Sechs Thesen, was Anleger nun tun sollten.

Von Harald Freiberger

Inzwischen sind also kaum noch gute Gründe übrig, sich bei Banken und Versicherungen für einigermaßen risikoarme Geldanlagen und damit miserable Zinsen zu entscheiden. Eine weitere Schranke im Kopf: Lohnt sich doch sowieso nicht mehr, schon gar nicht mit geringen Summen. Wer spart, bewegt sich in einem ständigen Abwägen zwischen Gegenwart und Zukunft, zwischen "weniger heute" und "mehr morgen". Diese Unterscheidung formuliert der Kölner Verhaltensökonom Matthias Sutter in seinem Buch "Die Entdeckung der Geduld". Sutter beschreibt das Sparen als eine Mischung aus Geduldsübung und Konsumverzicht. Und so frustrierend es ist, kaum noch Zinsen auf sein Vermögen zu erhalten: Sparbücher und Tagesgeldkonten sind die beliebsten Formen der Geldanlage geblieben. Sie sind eben sicher und kosten nichts.

Sparer verhalten sich selten so, wie es die Theorie vorhersagt

Wenn aber das Sparbuch unanfechtbar ist, kann man die Rendite wenigstens auf anderem Weg steigern. Statt nur auf die Verzinsung zu schauen, lohnt der Blick auf den Kassenzettel, die Nebenkostenabrechnung oder die Bankgebühren. Bei Umfragen, die Banken zum Jahreswechsel veröffentlichen, kommt zwar immer wieder heraus, dass viele Menschen sich im neuen Jahr einen besseren Überblick über ihre Finanzen verschaffen wollen. Sparen heißt auch, herauszufinden, welches Geld man zur Seite legen kann. Das wissen viele.

Dem steht die Gegenwartspräferenz im Weg. Ökonomen verwenden diesen Begriff, um zu beschreiben, dass jemand Dinge in der Gegenwart höher bewertet als Belohnungen, die erst in ferner Zukunft liegen. Der Cappuccino heute ist mehr wert als die Espressomaschine morgen, das Fahrrad heute nützlicher als der Porsche in 30 Jahren, die Party heute schöner als eine Weltreise später. Wer weiß schon, was in der Zwischenzeit noch passiert?

Wirtschaftsforscher konnten oft zeigen, dass Sparer sich selten so verhalten, wie es die ökonomische Standardtheorie suggeriert. Vor allem können sie Zinsen und Zinseszins-Effekte schlecht einschätzen, allein das macht es schwierig, den Wert des Sparens richtig zu beurteilen. Kaum jemand findet über den gesamten Lebenszyklus hinweg die optimale Aufteilung zwischen Konsum und Ersparnis, so, wie es die Lehrbuch-Modelle vorzeichnen.

Sparen
:Können wir mal über Geld sprechen, bitte?

Das Sparen bekamen wir schon von klein auf beigebracht. Aber wie damals funktioniert es heute, in Zeiten des Nullzins, nicht mehr. Unser Autor zieht Bilanz.

Von Max Scharnigg

Der Mensch hat also Schwierigkeiten, sich die Zukunft vorzustellen und Konsum und Sparen vernünftig gegeneinander abzuwägen. Es gibt mehrere an der Chicagoer Universität entstandene Studien, die zeigen, dass Menschen dann am effektivsten Sparen, wenn sie mit einer Form der betrieblichen Altersvorsorge dazu gezwungen werden. So weit muss man nicht gehen: Ein Dauerauftrag für Überweisungen aufs Sparkonto genügt.

Nie hatten Sparer so viele Möglichkeiten, ihr Geld anzulegen, selten war die Unsicherheit so groß: Von kommendem Montag an beschäftigt sich die SZ damit ausführlich - unter dem bekannten Titel "Geldwerkstatt".

© SZ vom 30.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: