Der Zins für Sparbuch, Fest- oder Tagesgeld ist zuletzt gegen null gefallen. Ursache dafür ist der Leitzins, den die Europäische Zentralbank (EZB) im März erstmals überhaupt auf 0,0 Prozent gesenkt hat. Viele Anleger fragen sich, wie sie mit dieser ungewohnten Situation umgehen sollen. Dazu sechs Thesen.
1. Die Phase wird noch lange anhalten
Die EZB will mit dem niedrigen Zins in erster Linie die Inflation erhöhen. Im Nebeneffekt können hoch verschuldete Staaten wie Italien oder Spanien sich günstig finanzieren und ihre Schulden überhaupt tragen. Beides - niedrige Inflation und hohe Verschuldung - wird sich nicht auf die Schnelle beseitigen lassen. "Die Phase niedriger Zinsen dürfte noch über Jahre anhalten", sagt Marco Herrmann, Chef der Münchner Vermögensverwaltung Fiduka. Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel hält einen Kurswechsel der EZB vor 2018 für unwahrscheinlich. "Bis dahin werden sich die Zinssätze für Bankeinlagen, die Renditen am Kapitalmarkt und damit auch die Konditionen für Immobilienfinanzierungen weiterhin auf einem historisch niedrigen Niveau bewegen", sagt er.
2. Fast jeder ist betroffen
Ob Sparprodukte, Anleihen, Aktien, Versicherungen - fast jeder Anleger ist von der Zinsfalle betroffen, und je länger die Phase dauert, desto größer werden die Auswirkungen sein. "Viele sind sich des Ernstes der Lage nicht bewusst", sagt der Vermögensverwalter Eckhard Sauren, der sich auf Dachfonds spezialisiert hat, also Fonds, die sich aus mehreren Fonds zusammensetzen. "Viele Kunden glauben immer noch an Versprechungen aus der Vergangenheit, die in Zukunft nicht mehr zu halten sind." So sei etwa absehbar, dass viele Lebensversicherer ihre Garantien nicht einhalten werden können. Die niedrigen Zinsen vergrößern die Lücke, die sich bei vielen Bundesbürgern in der Altersvorsorge ohnehin schon auftut.
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3. Wer Zins will, muss ins Risiko gehen
Wie lässt sich die Lücke schließen? "Anleger sollten ihren Horizont erweitern", sagt Fiduka-Chef Herrmann. Anleihen von Unternehmen mit hoher Bonität, zum Beispiel Dax-Konzerne, bringen noch bis zu ein Prozent Rendite, nachrangige Anleihen solcher Unternehmen etwa drei Prozent. Diese fallen aber auch als erstes aus, wenn das Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Dasselbe bei Staatsanleihen: Je höher die Rendite, desto größer das Ausfallrisiko. Zehnjährige italienische Anleihen zum Beispiel bieten auch nur 1,5 Prozent.
Für alle Anlagen gilt: Wer überhaupt noch Zinsen bekommen will, muss ins Risiko gehen. Umgekehrt heißt das: Wenn jemand noch Zinsen bietet, muss man hinterfragen, was dahintersteckt. "Die Schwelle zum Risikoreichen oder sogar Unseriösen ist genauso gesunken wie das Zinsniveau, sie beginnt schon bei drei, vier Prozent", sagt Herrmann.
4. Die Aktie ist der Königsweg
Die beste Möglichkeit, den niedrigen Zinsen zu entfliehen, ist es, auf den Aktienmarkt zu setzen. Der Deutsche Aktienindex hat über die vergangenen Jahrzehnte eine durchschnittliche jährliche Rendite von acht Prozent gebracht. Die Bundesbürger scheuen allerdings traditionell Aktien. Auch wegen der niedrigen Zinsen haben nur neun Prozent der Deutschen Geld in chancenreichere Anlageformen umgeschichtet, ergab eine Umfrage der Postbank.
Auf Aktien sollte jedoch nur setzen, wer das Geld langfristig nicht braucht, da die Börse kurzfristig stark schwanken kann. Herrmann empfiehlt einen Anlagehorizont von mindestens sieben bis zehn Jahren. Der Experte rät, sich auf Qualitätsaktien mit stabilen Wachstumsaussichten zu konzentrieren. Einzelaktien sind für normale Anleger jedoch nicht zu empfehlen. Besser ist es, über Fonds oder Indexfonds (ETF) breit in den Markt zu investieren. Dachfonds-Experte Sauren empfiehlt Privatanlegern, nur soweit ins Risiko gehen, wie es ihre Risikotragfähigkeit zulässt. Eine Faustformel: "Bei Aktien muss man in Kauf nehmen, dass der Kurs sich halbiert. Wer also maximal zehn Prozent seines Geldes verlieren will, darf nur eine Aktienquote von 20 Prozent haben." Sonst bestehe die Gefahr, dass er den größten Fehler bei der Aktienanlage macht und bei tiefen Kursen verkauft.
Hat man eine Aktienquote für sich festgelegt, sollte man sich dazu zwingen, diese zu halten. Das bedeutet auch, Aktien zu verkaufen, wenn sie gestiegen sind und umgekehrt. "Ein solcher Grundsatz hilft, die eigene Psychologie zu überwinden", sagt Sauren.
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5. Die Immobilie ist ein Risiko
Viele überlegen, ob sie sich eine Immobilie anschaffen sollen. Das hat den Vorteil, dass sie von den niedrigen Zinsen profitieren: der durchschnittliche Baufinanzierungs-Zins liegt bei 1,5 Prozent. Der Nachteil: Gerade in Ballungszentren sind die Preise schon stark gestiegen. Fachleute geben zu bedenken, dass man sich mit einer selbst genutzten Immobilie für lange Zeit und an einen festen Ort bindet, und das zu hohen Kosten.
Immer dran denken: Der Kauf oder Bau einer Immobilie ist das größte Finanzrisiko im Leben eines Menschen. Die entscheidende Frage ist, ob man den Kredit auch tragen kann, wenn in zehn Jahren eine Anschlussfinanzierung zu dann höheren Zinsen anfällt. Gerade wer monatlich nicht viel tilgen kann, für den ist Mieten auf Dauer möglicherweise günstiger.
6. Konsum ist keine Lösung
Ein neues Auto, eine schöne Reise: Manche Experten empfehlen Verbrauchern, ihr Geld lieber auszugeben, als es für null Prozent anzulegen. Herrmann hält das für einen schlechten Rat: "Das ist zu kurz gedacht, die meisten Bürger werden definitiv eine Lücke in der Altersversorgung haben, die sie absichern müssen", sagt er. Statt in Konsum sollten sie besser in die eigene Zukunft investieren. Denn das künftige Arbeitseinkommen ist ein wichtiger Teil des eigenen Vermögens. Die Devise lautet: Fortbildung statt Flatscreen.