Euro-Zone: Estland tritt bei:Liebe Griechen, so geht's

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Zwerg mit guten Zeugnissen: Die gewaltigen Sparanstregungen führen Estland zu Recht in die Euro-Zone. Griechenland sollte das Beispiel genau beobachten - und Deutschland sich über den Beitritt freuen.

Alexander Hagelüken

Es gibt also noch Menschen, die den Euro wollen. Das kleine Volk der Esten möchte ihn unbedingt. Die Bevölkerung hat einen harten Sparkurs erduldet, um Anfang 2011 in die Währungsunion zu kommen. Das ist eine bemerkenswerte Botschaft am Ende eines Jahres, in dem viele Europäer am Euro zweifelten - und die EU-Regierungen fast eine Billion Euro für angeschlagene Staaten bereitstellten, obwohl so etwas in den europäischen Verträgen nie vorgesehen war.

Der Chef der estländischen Zentralbank, Andres Lipstok, bei der Eröffnung einer Euro-Austellung in Tallinn vor der Abbildung einer estländischen Euro-Münze. (Foto: dpa)

Natürlich ist Estland, mit so viel Einwohnern wie die Großstadt München, viel zu klein, um die Währungsunion zu stärken (oder bei Turbulenzen zu schwächen). Die Lehren aus dem schnellen Beitritt Estlands nur zwei Jahre nach der schwersten Finanzkrise in acht Dekaden aber lauten: Die Sicht auf den Euro hängt davon ab, was dieser leisten kann; von außen betrachtet bietet die Gemeinschaft viele Vorteile, die ihre Mitglieder gar nicht mehr bemerken. Und, zweite Einsicht: Die Währungsunion sollte sich neue Mitglieder so sorgfältig aussuchen, wie sie es im Fall Estlands getan hat.

Was bietet der Euro? Wer die Krise nach dem Lehman-Crash ohne die Gemeinschaftswährung überstehen musste, also alle Länder Osteuropas, war den Stürmen der Märkte viel härter ausgesetzt als Deutschland, Irland oder Griechenland. Der Euro stabilisierte. Eine Funktion, die sich in künftigen Krisen wieder zeigen wird, auch für Deutschland - und die eine mächtige Anziehung auf Staaten außerhalb der Euro-Zone ausübt.

Das ist gut für Deutschland, das mit jedem neuen Euro-Mitglied Absatzchancen für seine Produkte gewinnt. Aber was ist mit dem Absturz der Iren oder Griechen in diesem Jahr? Dieser hat nichts mit der Existenz des Euro zu tun, sondern mit selbstgemachten Problemen wie einer aufgeblähten Bankbranche oder jahrelanger Misswirtschaft, die der Schuldendruck jetzt brutal offenlegt.

Die Beispiele Griechenland und Estland zeigen, wer für eine Währungsunion geeignet ist und wer nicht. Die Griechen fälschten hingebungsvoll ihre Daten, um sich in den Euro zu mogeln. Europa hätte die Hellenen entweder aussperren oder scharf kontrollieren müssen. Stattdessen ließen die Partner-Regierungen zu, dass Athen den Euro als Einladung missverstand, sich weiterhin vor Standards für den globalen Wettbewerb zu drücken: angemessene Arbeitszeiten, ein überschaubarer Beamtenapparat und die Durchsetzung von Steuermoral.

Harte Regeln sind nötig

Estland dagegen hat notwendige Reformen durchgeführt. In der Krise sparte das Land, statt sich auf Tricks oder politischen Druck zu verlassen, um in die Währungsunion zu gelangen. Heute hat die ehemalige Sowjetrepublik die geringsten Schulden von allen Staaten der Währungsunion und ist damit ein weit besserer Euro-Partner als die historische Wiege der Demokratie - eine erstaunliche Entwicklung.

Die Euro-Zone braucht Staaten, die eine Stabilitätskultur vorleben, bevor sie Ansprüche stellen. Die Esten und manch anderes Land Osteuropas, das in wenigen Jahren von der Plan- auf die Marktwirtschaft umgestellt hat, sind deshalb willkommen und werden die Währungsunion stärken.

Umgekehrt muss Europa nach diesem Chaos-Jahr sehr genau überlegen, wie es weitergehen soll. 2010 war das Jahr der Notreparaturen, mit hastiger Hand und viel Geld wurden marode Staaten vor der Pleite gerettet. Jetzt müssten neue Fundamente eingezogen werden, damit das Haus auf Dauer steht. Die eiligen Korrekturen des Stabilitätspakts reichen da nicht aus. Was Europa nötig hat, sind harte Regeln, die keiner ignorieren kann. Dazu gehört auch, sich von einem Konsens um jeden Preis zu verabschieden. Scharfe Konsequenzen für Griechenland, Irland und die eine oder andere Gläubiger-Bank sind in Ordnung. Wenn die Euro-Zone nicht falsche Rücksichten aufgibt, wird es bald mit der Euro-Zone vorbei sein.

© SZ vom 30.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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