EU-Gipfel in Brüssel:Märkte, hört die Signale

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Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben ein schreckliches Jahr hinter sich. Doch nun setzen sie ein starkes Zeichen der Solidarität: Sie sehen die Euro-Krise als Chance, um Europa noch stärker zu einen.

Martin Winter

Was für ein Jahr! Getrieben von der Angst um den Euro hetzten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union seit Februar von Krisengipfel zu Krisengipfel. Immer auf der verzweifelten Suche nach Mitteln, die internationale Finanzspekulation gegen einige der hoch verschuldeten EU-Länder abzuwehren.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union geben sich nach Brüsseler Gipfel harmonischer als es auf diesem Bild zunächst den Anschein hat. (Foto: AP)

Erst griff die Gemeinschaft den Griechen mit 110 Milliarden Euro unter die Arme, dann spannte sie für alle einen Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro auf. Unter dem sucht gerade Irland zum Preis von 85 Milliarden Schutz. Aber nichts schien die Märkte zu beeindrucken. So wurde 2010 zum Annus horribilis für die Europäer. Aber nach langen Qualen beenden sie das Jahr nun mit einem politischen Signal, das die Märkte beeindrucken muss - sofern sie nicht ganz den Verstand verloren haben.

Denn die Botschaft des europäischen Gipfels von diesem Wochenende heißt: Wir lassen keinen von uns hängen. Niemals. Und wenn die 750 Milliarden Euro aus dem Schutzschirm nicht reichen, dann legen wir eben etwas drauf. Damit ist der Verdacht aus der Welt, dass die EU ihr ambitioniertestes Projekt im Zweifel scheitern lassen könnte. Nach dem vielen, nicht nur die Märkte verunsichernden Hin und Her zeigen sich die Staats- und Regierungschefs der Größe ihrer Aufgabe gewachsen.

Wie immer in der EU kommt der Beschluss nicht pathetisch, sondern im ärmlichen Gewand juristischer Formulierungen daher. Aber die nun verabredete kleine Vertragsänderung, die Einigung auf die Eckwerte eines permanenten Rettungsschirms und das Versprechen, den Stabilitätspakt in Halbjahresfrist in ein disziplinierendes Instrument zu verwandeln, markieren nicht das Ende des Krisenmanagements, sondern den Beginn einer neuen Phase der Vertiefung der EU.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy deuteten an, wohin die Reise gehen könnte: zu mehr Gemeinsamkeit bei der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik. Vielleicht ist es ja wirklich so, dass die Europäische Union, wie Joschka Fischer meinte, durch Katastrophen gehen muss, bevor sie sich zu dem aufschwingt, was sie könnte, wenn sie nur wollte.

In guten Zeiten, das zeigt die Erfahrung, neigen die Mitgliedsländer jedenfalls zu egozentrischer Zufriedenheit, die man sich nicht durch Kompromisse mit den anderen stören lassen will. Vor allem dann nicht, wenn es um wirtschaftliche Vorteile, Standortpolitik und internationalen Wettbewerb geht. So ist nie etwas aus der vor zehn Jahren verabredeten, immer engeren Zusammenarbeit in Fragen von Wirtschaft, Finanzen und Technologie geworden. Das waren noch optimistische Zeiten, als die EU erklärte, bis zum Jahr 2010 die weltweit führende, wissensgeleitete Volkswirtschaft der Welt werden zu wollen.

Die Tür ist offen - aber wer geht durch?

Geworden ist daraus eine Union, die im Jahr 2010 all ihr Geld und all ihren politischen Willen mobilisieren muss, um nicht in der globalen und historischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Das ist im Ansatz jetzt erst einmal gelungen. Ein dauerhafter Erfolg wird das aber nur, wenn Länder wie Griechenland, Portugal, Irland oder auch Spanien bei ihren fiskalischen und strukturellen Reformen nicht nachlassen.

Wer glaubt, es mit den Garantien für den Euro-Raum im Rücken nun etwas gemütlicher bei der Modernisierung angehen lassen zu können, der legt das Fundament für die nächste Krise. Luxemburgs streitbarer Ministerpräsident Jean-Claude Juncker sagte nach dem Gipfel, dass sich alle des Ernstes der Lage bewusst seien. Ob das so bleibt, wenn sich die Märkte entspannen und es mit der europäischen Wirtschaft aufwärts geht, muss sich allerdings noch erweisen.

Die Tür zu einer wirklichen politischen Union wurde jetzt aus Angst aufgestoßen. Sie zu durchschreiten wird ungemein schwer. Denn dafür müssen weitere nationale Souveränitäten nach Brüssel abgegeben werden. Daran mag in Brüssel noch niemand so recht glauben. Aber vor Jahresfrist hatte es auch noch niemand für möglich gehalten, dass die Euro-Staaten einmal eine unbegrenzte Garantie für ihre an den Rand der Insolvenz geratenen Mitglieder abgeben würden.

© SZ vom 18.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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