Energieeinsparverordnung:Kleine Einkommen, wenig Verbrauch

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Mal eben 40 Prozent sparen: Alte Häuser in nachhaltige Gebäude zu verwandeln, stellt hohe Anforderungen an Planer und Architekten.

Ingrid Weidner

Mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) schreibt der Gesetzgeber vor, welche Standards neue oder sanierte Gebäude erfüllen müssen. Das Projekt "Energieeffizienter Wohnungsbau" des Freistaats Bayern soll anhand von zehn Immobilien Modellvorschläge für den sozialen Wohnungsbau entwickeln, wie sich die Vorgaben der EnEV 2007 sogar unterschreiten lassen. Ehrgeiziges Ziel ist es, zusätzlich 40 Prozent einzusparen. Insgesamt 34 Wohnungsunternehmen und Genossenschaften hatten sich um die Fördergelder beworben.

Um den Energieverbrauch zu senken, müssen alte Gebäude neu gedämmt werden. Was im sozialen Wohnungsbau noch getan werden kann, sollen zehn Projekte des Programms "Energieeffizienter Wohnungsbau" in Bayern zeigen. (Foto: Foto: AP)

Zehn Projekte

"Wir haben uns alle Bewerber und die vorgeschlagenen Projekte angesehen und zehn ausgewählt", erklärt Ministerialrätin Karin Sandeck von der Obersten Baubehörde.

Von Marktredwitz, Ochsenfurt und Ansbach in Franken, über Amberg, Straubing, Ingolstadt, Augsburg, Neu-Ulm, München und Kaufbeuren verteilen sich die ausgewählten Orte über ganz Bayern. Sandeck betont, dass es wichtig gewesen sei, aus "allen bayerischen Klimazonen" Städte in das Programm aufzunehmen. Neben fünf Neubauprojekten stehen ebenso viele Sanierungsobjekte auf dem Förderplan. Finanziell unterstützt werden die zehn Vorhaben aus Mitteln der öffentlichen Wohnraumförderung und dem Bayerischen Modernisierungsprogramm. Wie hoch die Zuschüsse sind, wird für jedes Projekt einzeln entschieden. Geld gibt es sowohl über günstige Darlehen als auch über direkte Zuschüsse.

Sanierungsverfahren nur mit Zustimmung der Bewohner

In Amberg in der Oberpfalz sind die Planungen schon weit fortgeschritten. Das dortige Wohnungsunternehmen bewarb sich erfolgreich mit zwei alten Häusern, Baujahr 1963, für das Projekt des Freistaats. In den 24 Wohnungen leben überwiegend ältere Menschen, das Durchschnittsalter beträgt 62 Jahre. Viele von ihnen wohnen bereits seit Jahrzehnten dort.

Eine gute Informationspolitik ist daher besonders wichtig. Geschäftsführer Josef Gerstl informierte die Mieter im Vorfeld schriftlich über die Pläne, und in einer Mieterversammlung will er demnächst ausführlich über die geplante Sanierung referieren, die im Frühjahr beginnen soll. Gewonnen hat den Wettbewerb das Architekturbüro Walter Unterrainer aus Feldkirch in Österreich.

"Ein Sanierungsverfahren ist nur in enger Abstimmung mit den Bewohnern möglich", erklärt Walter Unterrainer. Schon vor dem Architekturwettbewerb hatte ein Team von Gabriele Franger-Huhle, Professorin für Soziale Arbeit an der Hochschule Coburg, im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung die Bewohner ausführlich zu ihrer Lebenssituation sowie ihren Wünschen befragt. Dabei erfuhren die Wissenschaftler, dass die Bewohner gerne in der Siedlung leben - und aufgeschlossen gegenüber den Sanierungsplänen der Genossenschaft sind. "Die Mieter sind bereit, ihr Verhalten zu ändern und sich mit der neuen Gebäudetechnik vertraut zu machen", sagt Franger-Huhle.

Das Ziel der Architekten ist es, die Technik der Energiesparsysteme möglichst einfach zu gestalten. Teil des Projekts ist es auch, die Bewohner nach der Sanierung mit den technischen Neuerungen vertraut zu machen. "Architektonische Akupunktur" nennt Architekt Unterrainer sein Verfahren, die Bestandsimmobilie behutsam energetisch zu sanieren. Fast alle Mieter bleiben während der Umbauphase in ihren Wohnungen.

Lediglich in den acht Erdgeschosswohnungen sind umfangreichere Baumaßnahmen geplant, um diese Einheiten barrierefrei zu gestalten. Die minimalen Eingriffe am Gebäude verändern die gestalterische Ästhetik der Häuser aus den sechziger Jahren nur geringfügig. Unterrainer verzichtet beispielsweise auf Solarpanele, da sich die Ausrichtung der Dächer dafür nicht eignet und die Kosten zu hoch wären. Stattdessen plant er eine Pelletheizung und neue, dreifach verglaste Fenster.

Die schmalen Balkone sollen komfortabler und die Dämmung des Gebäudes soll verbessert werden. "Mit der energetischen Sanierung sollen die Energiekosten um den Faktor zehn reduziert werden", plant Unterrainer. Ein Jahr nach der Sanierung wird gemessen, ob sich die prognostizierten Einsparungen wirklich eingestellt haben.

Loslösung von fossilen Brennstoffen

Die Baukosten belaufen sich in Amberg auf etwa 2,1 Millionen Euro. Die Hälfte der veranschlagten Summe stehen als Darlehen mit niedrigem Zinssatz zur Verfügung, das möglicherweise noch aufgestockt wird. Fördergelder in Höhe von etwa 100.000 Euro entlasten zwar den Etat, doch die Amberger Genossenschaft braucht weitere Mittel, um die Pläne umzusetzen.

Auch die Mieter sollen ihren Beitrag leisten. "Wirtschaftlich sinnvoll wäre ein Quadratmeterpreis von sieben Euro, um die Sanierung zu finanzieren, doch das ist zu viel für die Mieter", sagt Gerstl. Momentan zahlen die Bewohner zwischen 2,20 Euro und 3,70 Euro Kaltmiete, nach der Modernisierung werden es vermutlich fünf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter sein. Gerstl geht nach seinen momentanen Berechnungen davon aus, dass sich die Warmmiete der sanierten Wohnungen um etwa einen Euro erhöht. Weil die Gastherme durch eine Pelletheizung ersetzt wird, sind die Mieter aber in Zukunft von der Preisspirale fossiler Brennstoffe losgelöst.

Alte Häuser in nachhaltige Gebäude zu verwandeln, stellt hohe Anforderungen an Planer und Architekten. Im sozialen Wohnungsbau dürfen außerdem die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. "Zum Start des Modellprojekts vor drei Jahren war es schwierig, hierzulande Architekten zu finden, die sich intensiv mit energieeffizientem, gefördertem Wohnungsbau beschäftigt haben. In den Nachbarländern Österreich und der Schweiz sind die Wohnungsbaustandards höher, und die Architekten länger mit diesen Aufgaben vertraut", sagt Sandeck von der Obersten Baubehörde. In knapp zwei Jahren sollen die Erfahrungen aus den zehn Projekten zusammengefasst und analysiert werden. Sämtliche Vorhaben werden wissenschaftlich begleitet, die Ergebnisse sollen unter anderem in einer "Effizienzfibel" veröffentlicht werden. Dann wird feststehen, welche Modelle praktikabel sind, und wie Vermieter sowie Mieter profitieren.

© SZ vom 13.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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