Deutsches Geld in der Schweiz:Das Erbe - die Last

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Die Angst vor den Sowjets und dem Fiskus brachte viele Deutsche dazu, Geld ins Ausland zu schaffen. Nun liegt es dort für die Erben - und macht viel Ärger.

Hans Leyendecker

Die Düsseldorfer Steuerfahnder wurden von dem älteren Münchner Ehepaar schon erwartet. Er hatte einen guten Kammgarn-Anzug angezogen, sie trug ein knitterfreies Kostüm. Als die Fahnder, ausgestattet mit einem Durchsuchungsbeschluss, im Sommer 2008 die beiden in München heimsuchten, sagte sie einen Satz, der sich den Ermittlern eingeprägt hat: "Gut, dass Sie kommen. Wir haben jahrelang darüber diskutiert, wie wir das mit dem Schwarzgeld den Kindern beichten sollten."

Die Schweizer Botschaft in Berlin liegt nahe dem Reichstagsgebäude. Auf dem Dach der Vertretung weht die Schweizer Flagge, im Hintergrund ist die Kuppel des Bundestages zu sehen. Seit ein Informant den deutschen Behörden eine CD mit Namen von Steuersündern verkauft hat, fürchten viele, sie könnten entdeckt werden. (Foto: Foto: dpa)

Dann gab es Kaffee und Kuchen. Die Papiere, die erklärten, wie der Schatz in Liechtenstein entstanden war, lagen schon bereit.

Diese fast kitschig anmutende Episode stammt aus den Tagen der großen bundesweiten Ermittlungen um das bei der LGT Treuhand in Vaduz gebunkerte Schwarzgeld.

Irgendwo Schwargeld deponiert

Und sie illustriert ein Detail der Daueraffäre Steuerhinterziehung: Etliche gut betuchte Senioren haben irgendwo Schwarzgeld deponiert. Sie wollen es vererben und haben gleichzeitig Angst davor, dass das Geld den Erben Kummer bereiten wird. Soll man den Kindern beichten, dass es da irgendwo hinter den Bergen ein Problem gibt? Hätten die Verständnis?

"Die meisten Klienten, die in diesen Tagen zu mir kommen, sind weit über sechzig Jahre alt", sagt ein Düsseldorfer Rechtsberater. Den Jungen seien "zumindest die Verstecke in Europa zu riskant", ergänzt ein Finanzbeamter.

Es gibt zwar keine systematische Untersuchung über die Historie der Steuerhinterziehung, aber verschiedene Hinweise lassen den Schluss zu, dass es mit ihr so ist wie es früher mit der Korruption war: Beides existierte mal flächendeckend. Nur war das Unrechtsbewusstsein einst weit geringer als es in diesen Tagen ist. Und die Kontrollen waren noch nie so umfassend.

Unterschiede bei der Wahl der Verstecke

Steuerhinterziehung jedenfalls hat eine lange, wechselvolle Geschichte. Europaweit betrachtet gibt es schon bei der Wahl der Verstecke Unterschiede: Die kleinen Leute haben ihr Geld gern ins Kleinwalsertal nach Österreich geschafft. Den Mittelstand zog es ins Herzogtum Luxemburg, die Raffinierten und sehr Reichen gingen nach Liechtenstein und die von altersher gut Betuchten deponierten ihr Geld in der Schweiz.

Alle Verstecke sind aufgeflogen oder bedroht. In der Schweiz wurde jüngst eine neue Untersuchung publik, der zufolge es sich wahrscheinlich bei mehr als achtzig Prozent des bei Schweizer Banken gebunkerten ausländischen Geldes um Schwarzgeld handelt. Die meisten Kunden kommen aus Deutschland.

Die Motive für die Steuerhinterziehung haben sich im Laufe der Jahrzehnte verändert. Nach 1945 wurde von Wirtschaftswunder-Reichen deutsches Geld in der Schweiz deponiert, um im Fall eines neuen Krieges irgendwo einen Schatz zu haben.

Danach kam die zweite Unternehmer-Generation, die für den Fall einer Insolvenz noch ein paar Millionen auf der hohen Kante haben wollte. Die nächste große Fluchtwelle setzte ein, als Ende der achtziger Jahre der damalige Finanzminister Gerhard Stoltenberg mit der Quellensteuer drohte. Und als sein Nachfolger, Theo Waigel, Ende 1991 eine neue Zinsabschlagsteuer auf die Kapitalerträge ankündigte, wurden Hunderte Milliarden Mark ins Ausland transferiert.

Angst und Gier

Deutsche Banken mit Filialen im Ausland lockten mit flotten Sprüchen: "Zweitwohnsitz für Ihr Geld". In persönlichen Gesprächen rieten Anlageberater, zwei Wertpapierkonten zu unterhalten: ein "öffentliches" und ein "privates". Nur das öffentliche Konto sollte dem Finanzamt bekannt sein.

Abgesandte der Geldhäuser fuhren durchs Land, um von guten Kunden Einzahlungen entgegenzunehmen oder Geld auszuzahlen. An diesem System hat sich in den vergangenen Jahren erstaunlich wenig geändert. Angst und Gier trieben so viel Geld ins Ausland: die Angst, dass in Deutschland das Finanzamt die Ersparnisse fürs Alter wegsteuert; und die Gier, auch kleine Summen dem Staat zu verweigern.

Letztlich bündelt sich die Geschichte des Schwarzgeldes in einem Punkt: Irgendwann wird das Vermögen vererbt - und spätestens dann beginnen ganz neue Probleme. "Die Alternativen lauten: Schlecht schlafen können mit viel Schwarzgeld - und dann kommen wir", sagt ein rheinischer Steuerfahnder. "Oder gut schlafen können ohne Schwarzgeld - dann kommen wir nicht."

Auffliegen wurde immer wahrscheinlicher

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schwarzgeldkonto im Ausland auffliegt, ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. So transparent wie in diesen Tagen waren die Konten bei den Geldinstituten in Europa noch nie. Und ein Schwarzgeld-Erbe war zwar schon immer riskant, doch noch nie so gefährlich wie heute: Zwar werden Straftaten weiterhin nicht vererbt, aber wer von der Existenz eines Schwarzgeldkontos im Ausland Kenntnis bekommt, muss das Finanzamt binnen eines Monats darüber unterrichten.

Der Erbe muss dann nicht nur Steuern für Zinsen oder Dividenden bezahlen, sondern auch die Hinterziehungszinsen, genau sechs Prozent pro Jahr. Die Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre. Hat der Erblasser nicht nur die Kapitalerträge, sondern das gesamte Kapital nicht versteuert, kommen möglicherweise Nachzahlungen wie nicht geleistete Umsatz -und Gewerbesteuern hinzu.

Geld weg, aber trotzdem nachzuversteuern

Ein Anwalt berichtet von einem Mandanten, dessen Vater immerhin 13 Millionen Euro in der Schweiz angelegt hatte, ohne den Fiskus zu informieren. "Nach dem Tod des Vaters hat der Sohn durch Überprüfung der alten Steuerunterlagen festgestellt, dass der Vater nie Geld angegeben hatte", sagt der Anwalt.

Der Vater hatte auf einem Zettel notiert, wie der Sohn an das Geld kommen könne. "Es stellte sich aber heraus, dass die Bank mit dem Vermögen gezockt hatte und viel Geld verlorengegangen war." Etliche Millionen waren weg, sollten aber trotzdem nachversteuert werden. "Der Erbe hätte sein eigenes Vermögen angreifen müssen, um die Forderungen des Finanzamts bezahlen zu müssen."

Am Ende habe der Mandant das gesamte Erbe ausgeschlagen. Eine Möglichkeit, nur auf das Schwarzgeld zu verzichten, gibt es nicht. Erben kann auch eine Last sein.

© SZ vom 17.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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