Aufstand in Libyen:Schweiz friert Gaddafi-Vermögen ein

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Es geht um Hunderte Millionen Euro, mit denen der Gaddafi-Clan wohl sein ausschweifendes Leben finanziert: Die Schweiz reagiert auf die Unruhen in Libyen und sperrt die Konten des Diktators. Bis vor kurzem buhlte Europa noch um sein Geld.

Oliver Bilger und Thomas Fromm

Was Schweizer Menschenrechtler in den letzten Tagen forderten, wird nun umgesetzt: Das Vermögen des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi und seines Clans wird mit sofortiger Wirkung eingefroren. Das teilte das Schweizer Außenministerium am Donnerstagabend mit. Damit will die Regierung jegliches Risiko einer Veruntreuung von staatlichem libyschem Eigentum vermeiden. Von der Verordnung betroffen und namentlich genannt sind 28 Personen um Gaddafi, Familienmitglieder und Verwandte sowie Politiker und Manager.

Libyen: Gaddafi-Clan
:Das Ende der Macht - und einer Familie

Das libysche Regime bricht unter den Aufständen zusammen - und mit ihm der Gaddafi-Clan. Die Kinder des Despoten sind für ihren extravaganten Lebensstil bekannt. Manch einer genoss die Vorzüge der Macht im Ausland, zum Teil auch in Deutschland.

Auf Schweizer Konten lagern etwa 490 Millionen Euro aus Libyen, wie die "Aktion Finanzplatz Schweiz" erklärte. Unbekannt sei, welcher Anteil zu Gaddafi gehöre. Anfang Februar war in der Schweiz ein Gesetz in Kraft getreten, das die Rückgabe von "Potentatengeldern" erleichtern soll. Bedingung ist ein förmliches Rechtshilfegesuch des Staates, der durch die Machenschaften seines Herrschers geschädigt wurde. Das Gesuch kann meist erst nach dem Rücktritt des Machthabers erfolgen. "Aktion Finanzplatz" appellierte an Banken, nach weiterem Vermögen des Clans zu suchen.

Fraglich ist, wie viel Geld die Banken noch finden werden. Gaddafi zog schon 2008 sein Privatvermögen von knapp 6,5 Milliarden Franken zum Großteil aus der Schweiz ab. Das Geld wird in Steuerparadiesen oder auf verschiedenen Konten in Europa vermutet. Die EU diskutiert gerade darüber, auch diese Konten einzufrieren.

Über die Familie des Diktators wird wenig Gutes berichtet. Medien greifen immer wieder Ausschweifungen von Söhnen Gaddafis auf. Saif al-Arab Gaddafi beispielsweise führte ein ungewöhnliches Studentenleben. Als er sich in München einschrieb, lebte er in einer Hotelsuite, später kaufte der libysche Staat eine Villa für knapp acht Millionen Euro. In die zog der sechste Sohn von Herrscher Muammar al-Gaddafi aber nie ein, stattdessen erwarb er ein zweites luxuriöses Anwesen.

Auch seine Geschwister gerieten in den vergangenen Jahren immer wieder in die Schlagzeilen. Das libysche Volk lebt in Armut, Gaddafis Kinder hingegen lieben den Luxus. Das Vermögen der Familie wird auf viele Milliarden Dollar geschätzt. Das meiste Geld fließt aus der Staatskasse auf die Familienkonten. Staatsetat und Herrscherhaushalt sind nicht klar getrennt. Die Einnahmen der libyschen Wirtschaft stammen zu 95 Prozent aus Ölexporten. Beim Volk kommt aber nur ein Bruchteil der Gewinne an.

US-Diplomaten kamen in von Wikileaks veröffentlichten Botschaftsdepeschen zu dem Schluss, dass der Clan gerne feiert. Die Sippe gilt als "blutdürstig" und "gewalttätig" - "nur interessiert an verschwenderischem Lebensstil". Allein Vater Gaddafi gilt als bescheiden. Gaddafi-Sohn Mutasim ließ Superstars zu Privatkonzerten in die Karibik einfliegen und feierte ausschweifende Partys. Die Gage für Mariah Carey beispielsweise: angeblich eine Million Dollar. In einem Bericht der US-Diplomaten in Tripolis von 2008 heißt es, Sohn Mutasim habe den Vorsitzenden des staatlichen Ölkonzerns, Schukri Ghanem, unter Druck gesetzt, ihm 1,2 Milliarden Dollar bar oder in Öl zu zahlen. Ghanem sagte damals zu einem Vertrauten, er denke über seinen Rücktritt nach, da er sich vor Mutasims Rache fürchte.

Gaddafi, der Fiat-Retter

Dennoch buhlte Europa immer wieder um Gaddafis Geld. Bis zu 40 deutsche Firmen sind in Libyen ansässig. Die engste Bindung an das Land aber hat Italien. Als Gaddafi im vergangenen August nach Rom reiste, war es wieder mal ein großer Auftritt in der Ewigen Stadt. Ein Besuch wie immer, ganz nach dem Geschmack des Revolutionsführers: Große Entourage, Beduinenzelt, schöne Frauen an seiner Seite.

Beim Abendessen mit Ministerpräsident Silvio Berlusconi dann saßen Italiens Wirtschaftsbosse mit am Tisch. Am Tag darauf berichteten die Medien vor allem über die 200 Models, die Berlusconi Gaddafi ins Zelt schickte - angeblich, um dort etwas über den Koran zu lernen. Dass es bei dem Gipfel vor allem um Milliardengeschäfte ging, geriet dabei fast in den Hintergrund. Denn wie immer, wenn Gaddafi nach Rom kam, drehte es sich vor allem um Geld. Viel Geld.

Erst Anfang des Jahres wurde bekannt, dass die staatliche Investmentgesellschaft LIA (Libyan Investment Authority) mit zwei Prozent am römischen Rüstungskonzern Finmeccanica beteiligt ist; jeweils 7,5 Prozent hält man am Erstliga-Club Juventus Turin und an der Mailänder Unicredit-Bank. Auch an Fiat sollen die Libyer ein größeres Aktienpaket von knapp zwei Prozent halten. Banken, Sport, selbst die Textilgruppe Olcese, die unter anderem Armani mit edlen Stoffen versorgt, gehört zum Investment-Portfolio der Libyer. Der Staatsfonds soll zudem 32 Milliarden Dollar bei US-Banken angelegt haben, meldete Wikileaks. LIA ist sehr eng mit dem Gaddafi-Clan verbunden. Sohn Saadi saß selbst eine Zeit im Juventus-Vorstand.

Beim Treffen von Berlusconi und Gaddafi soll es auch um die Frage gegangen sein, wo der Wüstenstaat weitere Milliardenbeteiligungen erwerben kann. Die Beziehung geht weit zurück: Als Mitte der 70er Jahre Fiat ins Schlingern geriet, klopften die Italiener in Tripolis an. Gaddafi zahlte, bekam dafür ein Fünftel der Fiat-Aktien - und galt seitdem als Retter in der Not. Bis heute.

Heute wird den Italienern flau, wenn sie nur daran denken, wie viel Geld Gaddafi in ihre Volkswirtschaft investierte. Lukrative Beteiligungen mit Petro-Dollar, von denen man nun nicht mehr weiß, wie es mit ihnen weitergehen soll.

© SZ vom 25.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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