Schuldenkrise in Europa:Warum die Zocker sich nicht an den Euro trauen

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Paradoxe Finanzwelt: Da attackieren die Spekulanten ständig Länder der Eurozone, schlittert Griechenland in die Pleite und müssen sich die Staats- und Regierungschefs zur großen Euro-Rettung treffen. Doch was macht die Währung? Sie steht im Vergleich zum Dollar richtig gut da. Eine Ursachenforschung.

Helga Einecke und Alexander Hagelüken

Krise? Welche Krise? Als Europas Regierungschefs in den vergangenen Tagen am Telefon und am Donnerstag in Brüssel um die Zukunft des Euro rangen, zeigt sich die gemeinsame Währung überraschend stabil. Die Aussicht auf einen Rettungsdeal schob den Euro zeitweise bis nahe an die Marke von 1,43 Dollar. Das ganze Jahr über rangierte der Euro stets über 1,35 Dollar - und damit weit höher als die meiste Zeit seit seiner Einführung 1999. Das allgemein bekannte Wort von der großen "Euro-Krise" ist also keineswegs so zu verstehen, dass die Finanzmärkte die Währung selbst abstrafen würden.

Verblüffenderweise steht der Euro gegenüber dem Dollar extrem stark da. (Foto: dpa)

Jean-Claude Trichet, der scheidende Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), betont denn auch immer wieder, dass es gar keine "Euro-Krise" gebe. Es handele sich lediglich um eine Krise von Staatsschulden, pflegt er hinzuzufügen. Trotz der Turbulenzen fiel der Euro während der letzten Wochen nur kurz unter 1,40 Dollar. Dafür gibt es nur eine Erklärung: Die Märkte trauen der europäischen Währung, und sie glauben keinesfalls an ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone.

Hört man sich bei den Devisenhändlern um, dann weisen die Profis auf Aussagen aller Politiker hin, die sich ausnahmslos klar zum Euro bekennen würden. "Wir werden am Euro festhalten", schallt es aus Brüssel. "Fällt der Euro, fällt Europa", sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Da mögen Investoren griechische Anleihen auf das Niveau von Bananenrepubliken herunterramschen, die Währung als Ganzes attackieren sie nicht.

Außerdem präsentiert sich die Euro-Zone in einer guten ökonomischen Verfassung. Die Wirtschaft boomt, der Rückschlag durch die große Finanzkrise ist überwunden. Gezogen von einer starken Bundesrepublik wächst die Euro-Zone stark, das neue Sorgenkind residiert jenseits des Atlantiks: Amerika.

Dies spiegelt sich auch in der Zinswende der Europäischen Zentralbank wider, die als einzige große Notenbank weltweit ihre Leitzinsen zweimal erhöht hat. Das kann sie nur deshalb durchsetzen, weil sich die Wirtschaft trotz des Tauziehens um Griechenland, Irland, Portugal und zuletzt sogar Italien als robust erweist. Die Zinswende hat ihre Wirkung: Die höheren Zinsen in der Euro-Zone locken Anleger an.

Die Mini-Zinsen in den USA oder Japan, geboren aus der Panik vor einem wirtschaftlichen Absturz, wirken da nicht sehr attraktiv. Das treibt den Euro und schwächt den Dollar. "Der Euro ist das kleinere Übel", betonte ein Devisenhändler. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, fasst das aktuelle Szenario im Euro-Raum mit dem Satz zusammen: "Die Geldpolitik funktioniert hervorragend, die Finanzpolitik muss erst erfunden werden." Er sieht die Währungsunion als eine Art Expedition, für die die Teilnehmer nur unzureichend ausgerüstet sind.

Hinter den Kulissen des EU-Gipfels
:Mit Gummibärchen zum Milliarden-Deal

Europa hat zäh verhandelt - die Beschlüsse des Sondergipfels in Brüssel feierten vor allem Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy. Aber wie kamen die Mächtigen Europas zu ihrer Einigung? Ein Blick hinter die Kulissen des Gipfels.

Beim europäischen Gipfel in Brüssel beeindruckte die Marktbeobachter am meisten, dass die beiden wichtigsten EU-Staaten, Frankreich und Deutschland, sich am Abend zuvor in Berlin auf eine gemeinsame Haltung geeinigt hatten. So wird der oft kritisierten Kakophonie der Euro-Regierung etwas von ihrer Dramatik genommen. Investoren notieren beifällig, dass die Politiker in den Vereinigten Staaten ähnliche Fehler machen wie diejenigen in Europa und nur auf kurze Sicht fahren.

Kein Wunder, dass der Vergleich zwischen Dollar und Euro zugunsten der europäischen Währung ausfällt. Nach einschlägigen Berechnungen würden die Verbraucher in den USA und Europa in etwa die gleichen Waren für ihr Geld erhalten, wenn das Austauschverhältnis zwischen 1,10 Dollar und 1,20 Dollar je Euro betragen würde. Das hatte es aber zuletzt im Frühjahr 2010 gegeben, als die Griechenland-Krise erstmals aufflammte, und damals auch nur für kurze Zeit.

Der Euro ist also stärker, als es der Kaufkraft-Parität entsprechen würde, die Ökonomen gern für die Erklärung von Währungskursen heranziehen. Bei 1,40 Dollar steht der Euro sehr hoch. Und höher wäre auch gar nicht wünschenswert für die exportabhängige deutsche Wirtschaft. Schon die derzeitigen Umtauschverhältnisse sind für den Verkauf von Produkten in die USA eher zu hoch.

Einen Schutz vor den Folgen der starken Gemeinschaftswährung bietet - der Euro selbst. Weil inzwischen ein großer Teil der deutschen Exporte in den Euro-Raum geht, ist die deutsche Wirtschaft von Wechselkurs-Turbulenzen weit unabhängiger als zu Zeiten der Mark.

Analyst Christian Apelt von der Helaba bezeichnet den US-Dollar gar als einen der großen Verlierer dieses Jahres. In den letzten Wochen gewannen die Währungen in sicheren Anlagehäfen an Wert. Dazu zählten der japanischer Yen und der Schweizer Franken, auch der Neuseeland-Dollar sowie die Währungen einiger Schwellenländer außerhalb Europas. Der Dollar ist nicht mehr der sichere Hort wie einst. Zu unsicher sind die Aussichten der Schuldennation Amerika.

Wirtschaftsmächte wie China und Japan reagieren darauf längst - und schichten Devisenreserven von Dollar in Euro um. Wenn das kein Vertrauensbeweis für Europas Währung ist.

© SZ vom 22.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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