Privatsphäre:Was hinter Googles neuen Datenschutzbestimmungen steckt

Lesezeit: 3 min

Die Neuerung in Googles AGB in grün. (Foto: SZ)

Der Konzern ändert einen Satz, und der Aufschrei ist groß. Doch Nutzer können weitreichende Überwachung ganz einfach verhindern.

Von Simon Hurtz

Datenschutzbestimmungen sind wie Tolstoi. Bei vielen Menschen steht "Krieg und Frieden" im Regal, nur wenige haben mehr als die ersten paar Seiten gelesen. So ist es auch mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Webseiten: 86 Prozent der deutschen Internetnutzer halten es für wichtig, sie zu kennen - aber nur 20 Prozent lesen sie aufmerksam.

Im Alltag kann das kuriose Auswirkungen haben: In den Datenschutzbestimmungen von Facebooks Werbenetzwerk Atlas, das Zugriff auf alle Nutzerdaten des Netzwerks hat, versteckte sich monatelang ein doppelter Absatz - und niemand bemerkte es. Kein einziger der damals rund 1,3 Milliarden Nutzer machte sich die Mühe, die nicht einmal besonders lange Erklärung anzuschauen.

Als Google im Sommer seine Nutzungsbedingungen änderte und neue Datenschutzbestimmungen einführte, nahm ebenfalls kaum jemand Notiz. Einige US-Medien berichteten, der Tenor war überwiegend positiv: New York Times und Wired lobten, dass es nun leichter sei, die Werbeeinstellungen zu verwalten.

Google hat einen Satz geändert - einen entscheidenden

Am vergangenen Freitag hat das amerikanische Recherchebüro ProPublica einen Artikel veröffentlicht, der zehntausendfach geteilt und kommentiert wurde. Google habe stillschweigend "die Mauer zwischen anonymem Werbetracking und den Namen der Nutzer eingerissen", heißt es darin. Facebook und andere Firmen hätten schon vor Jahren begonnen Surfverhalten und personenbezogene Daten zu verknüpfen, nur Google habe diesen Schritt bislang nicht gewagt. Diese letzte Bastion der Privatsphäre sei nun gefallen.

Google-Event
:Das sind Googles neue Gadgets

Luxus-Handy, smarter Lautsprecher und ein Ausflug in die virtuelle Realität. Der Suchmaschinenbetreiber will zum Hardware-Hersteller werden - und das könnte gelingen.

Der Vorwurf bezieht sich auf die Änderung der Datenschutzbestimmungen am 28. Juni. Dort hat Google einen Satz gestrichen und durch einen anderen ersetzt. Aus "Wir verknüpfen keine Informationen von Doubleclick-Cookies mit personenbezogenen Daten, es sei denn, Sie haben uns diesbezüglich Ihre ausdrückliche Einwilligung gegeben" wurde: "Je nach Ihren Kontoeinstellungen werden Ihre Aktivitäten auf anderen Websites und in Apps gegebenenfalls mit Ihren personenbezogenen Daten verknüpft, um die Dienste von Google und von Google eingeblendete Werbung zu verbessern."

Doubleclick ist eines der größten Tracking-Netzwerke der Welt

Google hat Doubleclick 2007 für mehr als drei Milliarden Dollar übernommen. Auf knapp der Hälfte der eine Million größten Webseiten der Welt sind Tracker von Doubleclick eingebunden. Sie setzen sogenannte Cookies in die Browser der Nutzer und können so das Surfverhalten nachvollziehen und personalisierte Werbung anzeigen. Die Informationen beziehen sich nur auf den jeweiligen Browser und werden nicht mit personenbezogenen Daten verknüpft. Auch SZ.de verwendet diese Technologie.

Fast zehn Jahre lang hat Google die Informationen aus dem Doubleclick-Netzwerk strikt von den persönlichen Nutzerdaten getrennt. Nun behält sich Google das Recht vor, beide Datenbanken miteinander zu verknüpfen. "Unser Anzeigensystem wurde vor der Smartphone-Revolution entwickelt", sagt eine Google-Sprecherin. Mittlerweile würden die Nutzer viele Geräte gleichzeitig verwenden. Dementsprechend hätten die Werbeeinstellungen an das mobile Zeitalter angepasst werden müssen, sodass Anzeigen geräteübergreifend kontrolliert und ausgespielt werden können.

Der Vorwurf von ProPublica ist überzogen

Das ist tatsächlich eine wichtige Änderung - der Vorwurf von ProPublica ist dennoch überzogen. Google hat die Änderung nicht "stillschweigend" vorgenommen, sondern offensiv kommuniziert. Jeder Google-Nutzer bekam beim Login einen Hinweis auf die neuen Nutzungsbedingungen, der die Änderungen in wenigen Sätzen verständlich erklärte. Außerdem ist die Funktion opt-in. Das bedeutet, dass der Datenabgleich bei keinem bestehenden Google-Konto aktiviert wurde. Die Nutzer müssen also von sich aus aktiv werden und einen Schalter umlegen, damit die Doubleclick-Informationen mit personenbezogenen Google-Daten verknüpft werden.

Das gilt allerdings nicht für Google-Konten, die nach dem 28. Juni erstellt wurden. Deren Nutzer müssen aktiv widersprechen, wenn sie verhindern wollen, dass zwei der größten Datensammler im Internet ihre Datenbanken zusammenlegen, um sie geräteübergreifend durchs Netz zu verfolgen. Dafür gehen sie auf der Seite Mein Konto auf "Google-Aktivitäten verwalten" und rufen die Aktivitätseinstellungen auf. Dort legen sie den Schalter neben "Web- & App-Aktivitäten" um und bestätigen Ihre Entscheidung, in dem Sie im folgenden Fenster auf "Pausieren" klicken.

Unabhängig davon können Nutzer in den Werbeeinstellungen Ihres Kontos personalisierte Anzeigen deaktivieren. Dann sehen sollten sie nur generische Werbung, die nicht auf ihrem Sucherverlauf und ihren Nutzerdaten bei Google beruht.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Privatsphäre
:Woher Facebooks gruselige Freundschafts-Vorschläge kommen

Mit "Personen, die du vielleicht kennst" versucht Facebook, neue Freundschaften anzubahnen. Das kann unheimlich sein - lässt sich aber zumindest teilweise verhindern.

Von Marvin Strathmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: