Pöbeleien auf Twitter:Die Videos sollen die Betroffenen entlasten

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"Selbsthilfe-Programm", das klingt nach einem Versuch, Hassprediger im Netz zum Nachdenken anzuregen. Doch auch Rea gibt zu, dass der wahre Zweck ein anderer ist: "Wir freuen uns über jeden Troll, den wir bekehren können. Aber natürlich ist das eine Parodie. Wir wollen die Trolle mit ihren eigenen Waffen schlagen - also trollen wir zurück." Die satirischen Videos sollen die Betroffenen entlasten, die häufig nicht wissen, wie sie auf sexistische Pöbeleien reagieren können. Ignorieren? Mit ernsthaften Argumenten antworten? Im gleichen Tonfall zurückschießen? Diese Aufgabe übernehmen nun die Bots und geben den Opfern das Gefühl, den Anfeindungen nicht hilflos ausgesetzt zu sein.

Obwohl Rea von "Zurücktrollen" spricht, sieht sie einen Unterschied zwischen menschlichen Trollen und den trollenden Bots des Peng Collective: "Wir bombardieren die Opfer nicht mit Hunderten Tweets, sondern schicken nur eine Handvoll im Laufe einer Woche." Mehr wäre ohnehin nicht möglich gewesen, die Programmierung der Bots war auch so schon aufwändig genug. "Doch auch mit mehr Zeit und Geld hätten wir das nicht gemacht", sagt Rea. "Wir wollen uns ja schließlich nicht ganz auf das bodenlose Niveau derer begeben, die wir kritisieren. Auch nicht ironisch."

Peng Collective Zero Trollerance Team

Zwei Aktivisten der Berliner Künstler-Gruppe Peng Collective.

(Foto: Peng Collective)

Die Bot-Armee erweckt sich selbst zu neuem Leben

Trotzdem gehen die Aktivisten vom Peng Collective davon aus, dass Twitter für ihre Bots keine Ausnahme machen und sie ebenso sperren wird wie echte Trolle. Doch sie halten sich für gut vorbereitet: "Die Nachrichten werden von immer neuen Accounts geschickt. Wenn ein Bot stirbt, aktiviert er automatisch den nächsten." Die Bot-Armee ist also eine Art Hydra: Wer ihr einen Kopf abschlägt - sprich: einen der Accounts blockiert -, bekommt es sofort mit einem neuen zu tun.

Im Februar hatte auch Twitter-Chef Dick Costolo selbst ein härteres Durchgreifen gegen Rassisten und Sexisten angekündigt: "Wir versagen im Umgang mit Beleidigungen und Trollen", gab er zu und stellte kurz darauf neue Funktionen vor, um pöbelnde Nutzer zu melden und zu blockieren. Das seien richtige und wichtige Maßnahmen gewesen, sagt Rea, aber "Zero Trollerance" ziele in eine andere Richtung: "Twitter bietet eine technische Lösung, aber bloßes Blocken reicht nicht. Online-Sexismus ist ein Abbild des Alltagssexismus in der Gesellschaft. Damit muss man sich auch inhaltlich auseinandersetzen."

Obwohl die Selbsthilfe-Videos durchaus konstruktive Botschaften vermitteln, glaubt Rea nicht, dass sie Twitter zu einem friedlicheren Ort machen. Echte Trolle würden sich davon kaum abschrecken lassen: "Menschen, die so viel Zeit ihres Lebens mit sexistischen Beschimpfungen verbringen, haben definitiv ein tieferliegendes Problem. Daran ändern auch ein paar lustige Videos nichts. Letztendlich hilft da nur eine Therapie."

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