Feminismus? Ja bitte! Sexismus? Nein danke! Ab sofort müssen frauenfeindliche Pöbler auf Twitter mit Konsequenzen rechnen. Die Aktivisten des Peng Collective antworten zunächst mit einer Warnung, Hashtag: #ZeroTroll. Aussage: Dein Tweet war sexistisch. Dann folgen, nach und nach, Links zu sechs selbstproduzierten Videos. Ein Selbsthilfe-Programm, das Trollen "auf dem Weg zu Selbstreflexion und ihrer feministischen Resozialisierung helfen" soll.
Trolle, also Menschen, die es darauf anlegen, andere Internetnutzer zu provozieren und zu bedrohen, fühlen sich vor allem in sozialen Netzwerken zuhause. Auf Plattformen wie Facebook oder Twitter herrsche ein "unvorstellbares Ausmaß an Gewaltandrohungen, Diffamierungen und Beleidigungen", sagt Lia Rea. Sie ist Mitglied beim Peng Collective, einer Berliner Künstler- und Aktivistengruppe, die in der Vergangenheit etwa eine PR-Kampagne von Shell ins Gegenteil verkehrte, den Esoterik-Sender Astro TV kaperte und mit fiktiven Google-Produkten für besseren Datenschutz warb. "Es ist großartig, dass jeder seine Meinung im Internet frei äußern kann. Aber das hat auch Schattenseiten, nämlich extrem aggressives Verhalten gegenüber Frauen, Transgender und Menschen mit feministischen Ansichten."
Ein Selbsthilfe-Programm namens "Zero Trollerance"
Gemeinsam mit mehr als 30 freiwilligen Helfern haben die Aktivisten deshalb in den vergangenen Wochen 160 Twitter-Bots programmiert. Hinter diesen Accounts stecken keine Menschen, sondern ein Algorithmus, der automatisiert Tweets absendet. "Mit Sprachanalysen identifizieren wir Tausende potenzielle Trolle", erklärt Rea. "Wer sich heute oder morgen auf Twitter als Sexist entlarvt, landet im Visier der Bot-Accounts und kommt sechs Tage lang in den Genuss unseres Selbsthilfe-Programms." Es heißt "Zero Trollerance" und beginnt am heutigen Nachmittag.
Jede vierte junge Frau wurde im Netz bereits sexuell belästigt
Vier von zehn Erwachsenen, die das Internet nutzen, wurden dort schon persönlich beleidigt. Ein Viertel der Frauen unter 24 Jahren ist Opfer von Online-Stalkern geworden, ebenso viele zur Zielscheibe von sexuellen Belästigungen. 38 Prozent dieser Frauen geben an, das habe sie "extrem" oder "sehr" mitgenommen.
Diese Studie des renommierten Pew Research Center beruht auf Selbstauskünften von Betroffenen, über die genauen Prozentangaben kann man diskutieren. Worüber man nicht diskutieren kann: Die Balkendiagramme und Tortengrafiken bilden ein sehr reales Problem ab. Hass und Sexismus gibt es auch in der analogen Welt, doch im Netz werden sie besonders offensichtlich.
Dem will das Künstlerkollektiv etwas entgegensetzen. "Betroffene sollen sich nicht als passive Opfer fühlen, sondern mit einem Lächeln über den Angriffen stehen - und trotzdem reagieren können", sagt Rea, die für ihre Arbeit bei Peng diesen Namen als Pseudonym nutzt. "Dafür möchten wir ihnen ein Werkzeug in die Hand geben."