Demokratie:Die Bundesregierung wird transparenter - ein bisschen

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Transparenz ohne Datenfreigabe: Das Bundeskanzleramt am Tag der offenen Tür im August. (Foto: Christoph Soeder/dpa)
  • An diesem Mittwoch soll das Kabinett einen Aktionsplan zu "Open Government" beschließen.
  • Nach diesem Prinzip sollen Behörden Informationen öffentlich teilen.
  • Doch der Plan bleibt an vielen Stellen unkonkret, Kritikern geht er nicht weit genug.

Von Christian Endt, München

In der Umgangssprache heißt der Staat gelegentlich "die öffentliche Hand". In der Praxis ist diese Hand manchmal alles andere als öffentlich. Was Regierungen und Behörden alles tun und was sie wissen, können Außenstehende nur schwer durchdringen.

Das zu ändern, ist die Idee des "Open Governments". Offen und transparent sollen Staaten demnach sein. Die Bürger sollen Einblicke in Gesetzgebungs- und Verwaltungsverfahren bekommen und sich beteiligen können; die Behörden sollen ihre Informationen öffentlich teilen, damit jeder sie nutzen kann. Angestoßen durch eine internationale Initiative des damaligen US-Präsidenten Barack Obama bekennt sich auch die Bundesregierung seit 2016 zum Ziel der Offenheit und Transparenz. Anfangs war das Thema im Innenministerium angesiedelt, inzwischen liegt es direkt im Kanzleramt. An diesem Mittwoch beschließt das Kabinett einen Aktionsplan zu Open Government. Der Entwurf liegt der Süddeutschen Zeitung vorab vor.

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Verfechter von offenen Regierungen versprechen sich davon eine Reihe positiver Effekte. Erstens kann ein transparenter Staat als Prophylaxe gegen Korruption dienen, weil die Regierenden wissen, dass sie bei ihrer Arbeit nicht nur von Journalisten beobachtet werden, sondern dass ihnen jeder Bürger jederzeit auf die Finger schauen könnte. Zweitens kann die Offenheit eine vertrauensbildende Maßnahme sein, weil es einen Verdacht zumindest teilweise widerlegt: dass Politik auf undurchsichtige Weise in Hinterzimmern betrieben wird. Neben diesen eher abstrakten, demokratietheoretischen Aspekten gibt es die Hoffnung auf ganz praktischen Nutzen: Bürger, Unternehmen oder Initiativen nehmen die Daten und werten sie aus. Diverse Studien schätzen den möglichen Nutzen auf viele Milliarden Euro.

Wie hoch die Bundesregierung das Thema hängt, signalisiert sie gleich mit dem Vorwort, dass die Unterschrift der Bundeskanzlerin trägt. In der aktuellen Folge ihres Podcasts greift Angela Merkel das Thema bereits auf: "Menschen erwarten zurecht, dass sie verstehen, wie Regierungen arbeiten, dass sie sich frühzeitig an den Gesetzentwürfen beteiligen können und dass sie einen Überblick darüber bekommen, wie Steuergelder verwendet werden."

Kritikern ist der Plan nicht konkret genug

Konkrete Schritte enthält der Aktionsplan der Regierung dennoch nur punktuell. Am weitesten geht das Vorhaben, das politische Archiv des Auswärtigen Amts teilweise öffentlich zu machen, also die Unterlagen des diplomatischen Diensts bis zurück ins Jahr 1867. Sie stehen bisher nur Wissenschaftlern zur Verfügung. Jetzt sollen Akten daraus digitalisiert und zum Download bereitgestellt werden. Der schon länger geplante Prozess zur Entwicklung einer Jugendstrategie der Bundesregierung soll geöffnet und die Jugendlichen über eine Webplattform einbezogen werden. Außerdem will die Bundesregierung Fördermittel bereitstellen, damit einzelne Kommunen mit lokalen "Open Government Laboren" experimentieren können. Sechs weitere Maßnahmen sieht der Aktionsplan vor.

"Das ist sicher ein Schritt nach vorne", sagt Michael Peters vom Open Government Netzwerk Deutschland, einem Zusammenschluss mehrerer Organisationen, der das Thema vorantreibt und die Bundesregierung dabei berät. "Aber aus unserer Sicht ist der Aktionsplan nicht konkret genug. Er geht zu wenig in die Breite." Peters fordert, dass die Regierung ihre Datenbanken offen zugänglich macht, ohne Einschränkungen und Gebühren. Etwa das Transparenzregister, in dem die wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen hinterlegt sind. "Das wäre eine Chance, das Vertrauen in den Staat zu erhöhen", sagt Peters, "weil es um den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche geht."

Schleswig-Holstein als Vorbild

Staatliche Informationen sind häufig auf viele Behörden verteilt. Regierungsstellen, die sich um mehr Transparenz bemühen, gelingt es nicht immer, sich intern durchzusetzen. Im Zweifel entscheidet jede Amtsleitung selbst, welche Daten sie preisgibt. Dazu kommt Wirrwarr bei Abläufen und Formaten. Zentrale Portale wie govdata.de werden kaum genutzt.

Schleswig-Holstein gehört zu den Vorbildern in Deutschland. Mehr als 7000 Datensätze hat das Land bisher veröffentlicht, von den genauen Standorten aller Windräder im Land bis zu einer Liste geschützter Denkmäler. Der Digitalminister des Landes, Jan-Philipp Albrecht (Grüne), plant ein Digitalgesetz, das die Öffentlichkeit von Daten zum Standard machen soll. "Es muss grundsätzlich so sein, dass alle Daten zur Verfügung stehen", sagt Albrecht. "Ausnahmen darf es nur bei begründeten Einwänden geben." Datenschutzbedenken seien häufig nur ein Vorwand, um Informationen zurückzuhalten. Viele Einschränkungen würden aus der vordigitalen Zeit stammen, als das Verbreiten von Daten viel aufwendiger war.

© SZ vom 04.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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