Obamas YouTube-Interview:Es war einmal ein Internet-Präsident

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Als erster Präsident stellt sich Obama den Fragen der YouTube-Nutzer. Doch das reicht nicht mehr: Längst nutzen auch politische Gegner das Netz.

Johannes Kuhn

Es gab schon kritischere Situationen im Weißen Haus: Entspannt sitzt Barack Obama an diesem Montagabend auf seinem gepolsterten Stuhl, die Hände auf die Knie gelegt. Als erster Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten beantwortet er Fragen von YouTube-Nutzern.

Obama auf YouTube: Vertrautes Terrain für den Präsidenten. (Foto: Foto: AP)

35 Minuten nimmt er sich Zeit, um auf gut ein Dutzend der insgesamt 11.000 eingereichten Fragen einzugehen. Die Sendung wird live auf YouTube und der Webseite der US-Regierung übertragen, nach Angaben des Moderators Steve Grove hat das Weiße Haus die Fragen weder ausgewählt, noch die ausgewählten Videos und Texte vorher gekannt.

Für den amtierenden Präsidenten sind solche Auftritte eine entspannte Art, Geschichte zu schreiben: Der 48-Jährige gilt als Internetprofi, hat für seinen Wahlkampf Plattformen wie YouTube, Facebook oder Twitter genutzt. Bereits zwei Monate nach seiner Vereidigung hat er mit einem Tabu gebrochen und als erster amtierender Präsident eine Late-Night-Show besucht.

Die bekannte Rhetorik

"Wir haben das ja bereits einmal gemacht, bevor ich gewählt wurde und es hat mir Spaß gemacht", erzählt Obama zu Beginn des Gesprächs, "ich bin froh, dass wir es wieder machen können." Mit der bekannten Obama-Rhetorik, die oft ins Floskelhafte schwenkt, geht es weiter. Mit den "Kollegen von den Republikanern" werde er versuchen, an der umstrittenen Gesundheitsreform zu arbeiten. Bei den Beratungen zum geplanten Gesetzeswerk werde es "keine Überraschungen, keine Geheimnisse" geben, verspricht er.

Die Fragen kommen von Geschäftsgründern, Studenten und Bürgerrechtsgruppen und drehen sich um Themen wie die Gesundheits- und Energiepolitik, das amerikanische Bildungswesen oder die verschobene Schließung des US-Gefangenenlagers in Guantanamo. Obama beantwortet sie routiniert, ohne etwas Neues zu erzählen.

Mehr als 640.000 YouTube-Nutzer hatten im Vorfeld über die besten Fragen abgestimmt. Die wurden auch alle gestellt - bis auf die erstplatzierte: Seinen Standpunkt zur Legalisierung von Marihuana muss der Präsident nicht ausbreiten, obwohl, wie ein Nutzer schreibt, diese doch dabei helfen würde, "neue nützliche und unentdeckte Dinge zu produzieren und exportieren".

Waren die YouTube-Debatten im Rahmen des Vorwahlkampfs 2008 noch heftig diskutiert und mit Spannung erwartet worden, haftet dem Auftritt des Präsidenten nichts Bahnbrechendes mehr an. Mit welcher Geschwindigkeit das Internet in den Alltag der US-Politik eingezogen ist, zeigt ein Blick auf die politischen Gegner Obamas: Die Republikaner galten lange Zeit als äußerst medienfeindlich. Doch wäre ein YouTube-Auftritt von George W. Bush noch unvorstellbar gewesen, hatten Ende 2009 etwa 89 Prozent aller republikanischen Mitglieder des Repräsentantenhauses einen eigenen YouTube-Kanal.

Man nannte ihn Internet-Präsidenten

Der Top-Republikaner Eric Cantor ließ während der Debatte um die Gesundheitsreform ein Video zusammenstellen, in dem konservative Ärzte vor den Folgen von Obamas Gesetzesvorhaben warnten. Selbst der texanische Senator John Cornyn, für seine ultrakonservativen Ansichten bekannt, sammelte Nutzervideos mit Ideen für die Verwendung des Geldes aus dem Konjunkturpaket.

Auch die derzeit unberechenbarste konservative Vereinigung, die extrem Obama-feindliche "Tea Party"-Bewegung, kommuniziert längst über soziale Netzwerke und Blogs miteinander. Und wenn die konservative Posterfrau Sarah Palin in wenigen Tagen vor die Versammlung der Bewegung tritt, wird ihre Rede - natürlich - im Netz übertragen.

So geht es dem oft als "Internet-Präsidenten" bezeichneten Obama wie allen Pionieren. Mit dem YouTube-Interview im Februar 2010 mag er Geschichte geschrieben haben - viel Aufsehen erregt er damit nicht: Längst sind die meisten professionellen Volksvertreter in den USA zu Internet-Politikern geworden.

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