Kurz sieht es so aus, als würde der Pressesprecher jetzt einfach umkippen. Sie käme dann morgen in die Fraktion, hat Gesche Joost eben gesagt, eine Viertelstunde referieren. Das scheint so nicht abgesprochen zu sein. Der SPD-Sprecher, der für Peer Steinbrücks Schattenkabinett viel zu viel zu tun hat, wird blass. Dann fällt Gesche Joost, 38, aber ein, dass sie nur Fraktion und Arbeitsgruppe verwechselt hat. Richtig, in die Arbeitsgruppe kommt sie morgen. Joost wird ein bisschen rot und muss lachen. Der Sprecher ist erleichtert und lacht auch.
Draußen zwitschern die Vögel am Einsteinufer im Berliner Westen. Gesche Joost arbeitet hier als Professorin in der Universität der Künste (UdK). Den Kanzlerkandidaten der SPD, Peer Steinbrück, berät sie schon seit dem Jahr 2006. Jetzt hat er sie in sein Schattenkabinett geholt, das er Kompetenzteam nennt. Joost hat dort die Zuständigkeit für das Internet und all seine Auswirkungen für die Bürger und die Politik, bei der SPD nennt man das "vernetzte Gesellschaft".
Beide Volksparteien, CDU und SPD, wissen, dass das Netz im Wahlkampf wichtig ist. Einerseits, weil es alltäglicher Gegenstand von Politik geworden ist. Andererseits, weil im Netz Politik gemacht wird. Deshalb steht immer auch die Frage im Raum, ob das Land vielleicht eine Ministerin oder einen Minister für Internetthemen benötigt. Wenn man nun in den Pressestellen der Parteien anfragt, mit wem man mal über das Netz in Wahlkampf und Politik sprechen könnte, schickt einen die SPD naturgemäß zu Gesche Joost. Die CDU empfiehlt die beiden Abgeordneten Michael Kretschmer, 38, und Peter Tauber, 38.
CDU-Nachwuchs gibt sich routiniert
Die beiden sitzen fünf Kilometer und ein paar Welten von Gesche Joost entfernt in der "Flamingo Fresh Food Bar" mitten im Berliner Regierungsviertel. Sie kümmern sich beide für die CDU im Parlament um Netzpolitik. Kretschmer und Tauber, so viel ist klar, würden im Schlaf nicht Arbeitsgruppe und Fraktion verwechseln. Auch wenn sie in der CDU eher zum Nachwuchs gehören, verhalten sie sich längst wie politische Routiniers. Das bedeutet, dass sie auch so reden: von Kompromissen, Strategien, Koordinierungen und Diskussionsgrundlagen.
Das Vokabular funktioniert immer, auch wenn es um Themen geht, die die Union zuletzt versemmelt hat. Zum Beispiel das Leistungsschutzrecht, mit dem Google gezwungen werden sollte, Zeitungsverlage am Umsatz zu beteiligen. Das Gesetz gilt mittlerweile quer durch alle Parteien als Fehler. Tauber hat damals dagegen gestimmt. Kretschmer, der stellvertretender Fraktionsvorsitzender für Kultur und Medien ist, stimmte dafür. Ihm fällt dazu ein, dass die Verabschiedung des Gesetzes ein Wert an sich sei, ganz so, als ginge es nicht um den Inhalt, sondern nur um das Durchboxen eines Gesetzes. Und beim Thema Netzausbau, den Schwarz-Gelb verschlafen hat, fragt Peter Tauber erst einmal "ob der Netzausbau tatsächlich so hinterherhinkt, wie immer behauptet wird".
Andererseits ist den CDU-Politikern auch klar, dass es ohne Selbstkritik nicht geht: "Zum Beispiel beim Datenschutz", sagt Tauber, "hätte man sicher mehr machen können." Beide kennen die Geschichten der Netzgesetze, die kleinsten Details der Verordnungen auswendig. Sie sind im Stoff, sehen aber vieles anders als die Netzszene, die in Deutschland von links-grünen Wählern dominiert wird. Das ficht die Abgeordneten nicht an: "Man macht Netzpolitik nicht nur, um sich von der Netzgemeinde abklatschen zu lassen." Vor allem Tauber twittert viel und sucht den Kontakt zur Szene. In der kommenden Legislaturperiode wollen sich die beiden Politiker vor allem um Themen wie Netzneutralität kümmern, weiterhin um den Breitbandausbau und Sicherheit im Netz. Dafür haben sie ein "Weißbuch" geschrieben, das Teil des CDU-Wahlprogramms ist.