So wurde erstmals ein ernst gemeintes politisches Anliegen der /b/tards spürbar. Ein langjähriger Kenner der Szene, Dale Beran, argumentiert im Online-Magazin Medium, die Klientel von 4chan seien im Kern "Männer ohne Jobs, ohne Perspektiven und dadurch auch (so ihre Schlussfolgerung) ohne Freundinnen". Daher leisteten sie solch erbitterten Widerstand, als sich die Computerspielszene für die Hochkultur und Frauen zu öffnen begann.
Dann kam Trump. Und natürlich war 4chan begeistert. Am Tag nachdem er seine Kandidatur verkündete, tauchte in der 4chan-Sektion /pol/ ("politically incorrect") eine Diskussion über Jeb Bush auf, den die /b/tards mit ihren üblichen derben Beleidigungen überzogen. Die erste Antwort enthielt ein Bild von Trump, unterschrieben mit: "You're fired!" "The Donald", so begriffen sie, war mit seinen Entgleisungen ein wandelndes Meme, ein "Weirdo" und Außenseiter, der dem Mainstream zwischen die Beine grapscht und dann erklärt: "Fühlt sich gut an, Mann." Pepe der Frosch trug nun auf Bildern oft ein blondes Toupet, Anzug, rote Krawatte. Und er wollte Präsident werden.
Ausgangspunkt für den Informationskrieg im Netz
Darin sah die Spaßguerilla von /b/ nun ihre Mission: den Obertroll ins Weiße Haus zu hacken. Also taten viele /b/tards das, wofür sie, rückblickend betrachtet, jahrelang trainiert hatten. Die Alt-Right-Bewegung, die wesentlich durch die "politically incorrect"-Sektion von 4chan geformt wurde, begann einen Informationskrieg im Netz.
Angelo Carusone, Präsident von "Media Matters for America", einer den Demokraten nahestehenden Organisation, sagte der Zeitung Politico, auf 4chan (und seinem noch radikaleren Klon 8chan) seien Angriffe auf Pro-Clinton-Veranstaltungen in sozialen Netzwerken orchestriert worden. Dies habe dazu beigetragen, dass sich demokratische Anhänger in Diskussionsräume zurückzogen, wo sie nur noch diejenigen erreichten, bei denen sie ohnehin schon offene Türen einrannten.
Außerdem produzierten die Alt-Right-Soldaten einen stetigen Strom von Memes, passend zu Trumps Wahlkampf-Stil. So produziert man wunderbar Pointen gegen den Gegner: Formeln, die mit einem Bild verknüpft sind, bleiben besser im Gedächtnis. Sie werden häufiger verbreitet und dabei von den Nutzern immer wieder durch neue Bildunterschriften modifiziert, wie ein mutierender Virus. Außerdem sind Memes anonym und damit die perfekte Waffe für eine "asymmetrische" Kriegsführung in der digitalen Sphäre.
Beispielsweise geisterten während des US-Wahlkampfs Pizza-Stücke durchs Netz. Dahinter steckte die nachweislich frei erfundene Behauptung, in geleakten E-Mails des Leiters der Hillary-Clinton-Kampagne, John Podesta, gehe es, wo von "Pizza" die Rede ist, eigentlich um Kinderpornografie. Die Alt-Right-Szene spricht heute vom US-Wahlkampf als dem "Great Meme War" - wie immer halb scherzhaft, als könne sie mit nur ausreichend Beharrlichkeit den politischen Diskurs in ein Computerspiel verwandeln. Nun blickt sie nach Europa. "Wir haben ein ganzes Team in Frankreich. In Deutschland bauen wir gerade eins auf", sagte der antisemitische Hacker Andrew Auernheimer zu Politico.
Die Behauptungen scheinen nicht nur leere Angeberei zu sein. Das belegen Chat-Protokolle, die Buzzfeed News im Januar veröffentlichte. Dort werden Trump-Anhänger instruiert, wie sie im Internet so tun können, als seien sie Franzosen, um die anstehende Präsidentschaftswahl zu beeinflussen. Ein "Anonymous" postet in diesem Zusammenhang ein Bild von Pepe. Dem Frosch ist unterdessen eine Terminator-Brust gewachsen, mit SS-Runen drauf. Er schreibt: "Alle Juden vergasen, ohne Überlebende." Und dann, fügt ein anderer hinzu, "fokussieren wir unsere Ressourcen auf die Erkundung des Weltraums, um Aliens zu töten und Planeten zu kolonisieren."