Beschwerden gegen Google:"Verbraucher werden ausgenutzt und ausgebeutet"

Ursula Pachl

Ursula Pachl ist die stellvertretende Generaldirektorin des europäischen Verbraucherschutzverbands.

(Foto: Amelie Berton amelieberton.c)

Google erfasst bei Android-Nutzern viele Standortdaten - eine Praxis, die EU-Verbraucherschützer stoppen wollen. Ursula Pachl erkärt, wie ihr Verband gegen den mächtigen Konzern vorgehen will.

Interview von Karoline Meta Beisel

Verbraucherschützer aus sieben europäischen Staaten werfen Google vor, beim Sammeln von Standortdaten von Android-Nutzern gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu verstoßen. Verbände aus Griechenland, den Niederlanden, Norwegen, Polen, Tschechien und Slowenien wollen Beschwerde bei den jeweils zuständigen Stellen in ihrem Land einlegen. Ursula Pachl ist die stellvertretende Generaldirektorin des europäischen Verbraucherschutzverbands. Sie erklärt, was genau ihre Kollegen stört.

SZ: Frau Pachl, worum geht es bei den Beschwerden gegen Google genau?

Ursula Pachl: Es geht um die Standortdaten, die Google bei den Nutzern von Android-Geräten erhebt. Wir glauben, dass die Art und Weise, auf die Google seine User dazu bringt, dem Unternehmen diese Daten zu überlassen, gegen die Datenschutzgrundverordnung verstößt.

Müssen die Nutzer dafür nicht ihre Einwilligung erteilen?

Doch, aber unser Ansicht nach ist diese Einwilligung zur Erhebung und Verwendung dieser Daten nicht wirksam. Die Nutzer werden durch geschickte Menüführung, schwer zu findende Einstellungen und ständiges Nachfragen dazu gedrängt, Zugriff auf ihre Daten zu erlauben, und das in einem Ausmaß, von dem sich die meisten Nutzer keine Vorstellung machen. Wie Google da vorgeht, grenzt an Täuschung.

Zum Beispiel?

Nur wenige wissen, dass Google die ganze Zeit aufzeichnet, wo sich ein Nutzer gerade befindet, selbst wenn derjenige die App, der er die Standorterfassung erlaubt hat, gerade gar nicht verwendet. Dieses Problem betrifft sehr viele Menschen: Weltweit nutzen zwei Milliarden Menschen Android-Geräte.

Warum ist das schlimm?

Standortdaten sind sehr sensible Daten. Mit ihrer Hilfe kann man viel über das Leben einer Person herausfinden: dass jemand regelmäßig zu einem bestimmten Arzt geht zum Beispiel, oder oft in die Kirche, oder in bestimmte Bars. Solche Daten lassen sich zu Geld machen, wenn sie zu Werbezwecken verwendet werden. Die Verbraucher werden ausgenutzt und ausgebeutet, indem sie persönliche Daten hergeben, obwohl sie das vermutlich nicht tun würden, wenn sie wüssten, welche Daten erhoben werden und wozu Google sie verwendet.

Sind andere Software-Anbieter weniger übergriffig?

Die Beschwerden basieren auf einer Studie aus Norwegen, die sich konkret mit Android auseinandergesetzt hat. Bei iOS, dem Betriebssystem von Apple, ist der Datenschutz besser, weil der Verbraucher dort konkret entscheiden kann: Will ich die Standortdaten vorübergehend aktivieren, wenn ich die App nutze? Oder soll das nie erlaubt sein?

Haben Sie Google mit den Vorwürfen konfrontiert?

Die Vorwürfe stehen schon lange im Raum, und der Konzern wusste von der Studie. Google hatte Gelegenheit zu reagieren.

Wie geht es jetzt weiter? Gibt es sieben getrennte Verfahren?

Wir glauben, dass die Rechtsdurchsetzung gerade im Datenschutz nur dann effizient ist, wenn es europäische Lösungen gibt. Es hat nicht viel Sinn, wenn eine nationale Datenschutzbehörde ein konkretes Verhalten nur in einem einzelnen Mitgliedsstaat sanktioniert. Die Datenschutzgrundverordnung bietet den Behörden aber Möglichkeiten, sich auszutauschen und zusammenzuarbeiten. Wir hoffen, dass das jetzt auch passiert.

In Deutschland wird über die Datenschutzgrundverordnung vor allem gelästert. Man dürfe zum Beispiel keine Klassenlisten mehr austeilen oder Klingelschilder beschriften.

Das sind Enten. Natürlich darf man die Klingel beschriften und Klassenlisten austeilen. Diese Art von Meldungen ist bedauerlich, weil die Leute sich dann wundern: Was hat die EU jetzt schon wieder komisches geregelt? Es gibt aber auch gute Nachrichten: Ich habe von einer Studie gelesen, derzufolge in Frankreich 73 Prozent der Bürger glauben, dass ihre Daten jetzt besser geschützt sind als vorher.

Halten Sie die Datenschutzgrundverordnung für einen Erfolg?

Auf jeden Fall. Was die konkrete Durchsetzung der Regeln angeht, ist es noch zu früh, das zu beurteilen, es gibt einfach noch keine Ergebnisse. Aber es ist beeindruckend, dass so viele Leute überhaupt wissen, dass es ein EU-Gesetz für den Datenschutz gibt. Es gibt auch viele Nachfragen aus dem Ausland, nach dem Motto: Wir wollen auch so einen Standard haben! Es heißt oft, Rechtsetzung in der digitalen Welt funktioniert nicht, weil sie zu schwerfällig ist. Die DSGVO zeigt aber, dass man doch etwas erreichen kann. Es kann nicht sein, dass Millionen Menschen dieser ständigen Überwachung und Spionage ausgeliefert sind. Das ist nicht die digitale Zukunft, die wir uns vorstellen.

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