Am 1. Juli 2013 - die Welt staunte, was der Whistleblower Edward Snowden so alles enthüllte - stellte das Bundesinnenministerium (BMI) dem Betreiber des weltweit größten Internetknotenpunktes De-Cix in Frankfurt zwei wichtige Fragen.
Erstens: "Haben Sie Kenntnisse über eine Zusammenarbeit Ihres Unternehmens mit ausländischen, speziell US- oder britischen Nachrichtendiensten?" Zweitens: "Haben Sie Erkenntnisse über oder Hinweise auf eine Aktivität ausländischer Dienste in Ihren Netzen?"
Die Antwort des Unternehmens war ein vertrauliches, aber klares "Nein". "Wir können ausschließen, dass ausländische Geheimdienste an unsere Infrastruktur angeschlossen sind und Daten abzapfen", versicherte das Unternehmen auch öffentlich. Da könne sich "niemand einhacken". Nicht einmal die NSA.
Wie nennt man das? Täuschen, tricksen?
Das BMI unterrichtete am Tag darauf das Kanzleramt, es gebe "keine Erkenntnisse", die auf irgendwelche Abflüsse an die NSA hindeuteten. Weil Frankfurt der Standort Nummer eins für Telekommunikation in Europa und das Drehkreuz für den nationalen wie internationalen Internetverkehr ist, wurde der Fall kurz darauf auf die Tagesordnung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages gesetzt.
Die Antwort der Dienste, die natürlich streng vertraulich war, lautete so: Ganz legal greife der Bundesnachrichtendienst seit einigen Jahren auf Teile der Kommunikation in Frankfurt zu, aber auf keinen Fall sei die NSA beteiligt.
Mit keinem Wort wurde erwähnt, dass der BND - vermutlich zwischen 2004 und 2007 - Daten aus Frankfurt an die NSA weiterleitete. Wie nennt man das? Täuschen, tricksen, oder handelt es sich um notorische Vergesslichkeit?
Getäuscht wurde die Öffentlichkeit, nicht korrekt informiert wurden die für die Kontrolle der Dienste zuständigen Abgeordneten, und auch De-Cix wurde möglicherweise in die Irre geführt.
Die Kooperation zeigt den nie zu stillenden Hunger der Dienste auf Daten
"Wir schließen aus, dass irgendein ausländischer oder inländischer Geheimdienst" zwischen 2004 und 2007 "einen Zugang zu dem von uns betriebenen Internetknoten und zugehörigen Glasfasernetzen hatte", meinte am Mittwoch der Geschäftsführer des Frankfurter Unternehmens.
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(Foto: SZ-Grafik)In Frankfurt gebe es doch schätzungsweise mehr als 5000 Netzübergänge vieler kleiner Netzbetreiber. Und 2004 sei De-Cix noch gar keine echte Größe gewesen. Da habe das Unternehmen nur 125 Kunden gehabt. Ende 2007 seien es 230 gewesen. Also nur etwa ein Zehntel des heutigen Verkehrsaufkommens, das derzeit bei drei Terabit Daten pro Sekunde liegt. Und: De-Cix betreibe kein eigenes Rechenzentrum. Übersetzt meint das: Der geheime Zugriff müsste dann andernorts, jedenfalls nicht bei De-Cix, stattgefunden haben.
Egal, wo der Zugriff in Frankfurt genau erfolgte: Die drei Jahre dauernde enge Partnerschaftshilfe des BND für die NSA in der hessischen Metropole wirft ein Schlaglicht auf den nie zu stillenden Hunger der Dienste auf Daten und auch auf die politischen Verhältnisse in der damaligen Zeit.