Enthüllungsplattform DDoSecrets:Zwickau Confidential

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Auch die Polizei in Minnesota spielt in den BlueLeaks-Dokumenten eine Rolle. (Foto: Eduardo Munoz/REUTERS)

Weil das Portal DDoSecrets Daten von US-Polizeibehörden veröffentlicht hatte, wurde der Server der Aktivisten nun in Sachsen beschlagnahmt.

Von Max Muth

Ein Streit um die Veröffentlichung von Interna aus der US-amerikanischen Polizei hat in Zwickau Ermittler auf den Plan gerufen. Es geht um eine Gruppe internationaler Aktivisten namens "Distributed Denial of Secrets" (kurz: DDoSecrets). Sie hat sich auf die Fahnen geschrieben, Geheimnisse offenzulegen, an denen die Öffentlichkeit Interesse haben könnte. Mitgründerin Emma Best teilte mit, die Staatsanwaltschaft Zwickau habe einen Server der Aktivisten mitgenommen, auf dem unter anderem 269 Gigabyte Daten der US-Polizeibehörden lagerten. Die Staatsanwaltschaft Zwickau schrieb der SZ, sie habe den betreffenden Server in einem Rechenzentrum in Falkenstein (Vogtland) als Reaktion auf ein geplantes Rechtshilfeersuchen der US-Polizei beschlagnahmt.

DDoSecrets sieht sich in der Tradition von Wikileaks und veröffentlicht Material von Whistleblowern oder Hackern. Die übergeben ihr Material an die Organisation, die sich dann eigenen Angaben zufolge bemüht, die Plausibilität des Materials zu prüfen. Anschließend macht sie die Daten durchsuchbar und stellt sie Journalisten zur Verfügung, die ausführlicher darüber berichten können. Zu den Abnehmern der Daten gehörten in der Vergangenheit die New York Times oder die BBC .

Auch die Süddeutsche Zeitung hat in der Vergangenheit mit Material von DDoSecrets gearbeitet. Zusammen mit dem Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), der Non-Profit-Organisation Finance Uncovered und der Times in London hatte die SZ interne Dokumente des Londoner Offshore-Dienstleisters Formations House analysiert und Ende 2019 im Rahmen des Rechercheprojekts "29 Leaks" über die dubiosen Hintergründe der Suisse Bank Ltd. berichtet. Das Archiv von DDoSecrets ist säuberlich geografisch geordnet, gut eineinhalb Jahre nach der Gründung der Plattform finden sich dort Dokumente aus nahezu jedem Winkel der Welt.

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Das Leak, das nun zur Beschlagnahmung des Servers durch die Staatsanwaltschaft Zwickau führte, wurde von den Aktivisten #BlueLeaks getauft. Es ist eine Sammlung von Dateien aus sogenannten Fusion Centern der US-Polizeibehörden. Die sollen den Datenaustausch zwischen lokalen Ermittlern und Bundespolizisten in den USA erleichtern. Die Sammlung beinhaltet laut einer Twitter-Nachricht von DDoSecrets, die mittlerweile gelöscht worden ist, Audio-, Video- und Textdateien, E-Mails mit Anhängen aus mehr als 20 Jahren Polizeiarbeit. Bekommen haben will die Gruppe das Datenleck von einer Person, die sich selbst als Repräsentant des Hacker-Kollektivs "Anonymous" bezeichnete.

Einem Bericht des IT-Sicherheitsblogs des Journalisten Brian Krebs zufolge lag die Schwachstelle, über die die Daten abgegriffen wurden, bei einer Webdesign-Firma aus Texas, die Webseiten von Behörden betreute. Krebs zitiert auch einen Anwalt, der früher für das US-Heimatschutzministerium gearbeitet hat. Dieser kritisierte, die Veröffentlichung dürfte seiner Einschätzung nach kaum Hinweise auf polizeiliches Fehlverhalten liefern, sie könne aber leicht Polizeibeamte in Lebensgefahr bringen, indem etwa Beamte enttarnt werden, die verdeckt ermitteln.

DDoSecrets stellt Journalisten Material von Whistleblowern und Hackern zur Verfügung

Twitter hatte den Account der Aktivisten nach der Veröffentlichung des Leaks wegen der "Verbreitung von gehacktem Material" gelöscht. Der Zwickauer Staatsanwaltschaft zufolge ist die Aktion "eine vorläufige Maßnahme im Rahmen der internationalen Rechtshilfe". Ob die beschlagnahmten Daten tatsächlich an die US-Behörden übergeben werden, soll geklärt werden, wenn das Ersuchen der USA auch offiziell vorliegt. Die Entscheidung darüber liegt demnach beim Bundesamt für Justiz, das dem Bundesjustizministerium untersteht.

DDoSecrets-Mitgründerin Best kritisierte, dass die Beschlagnahmung ohne Gerichtsbeschluss erfolgt sei. Die Staatsanwaltschaft hat das bestätigt. Ihr zufolge wurde das Rechenzentrum in Falkenstein als "Zeuge" durchsucht, was im Rahmen der Strafprozessordnung möglich ist. Die gilt zwar eigentlich nur für Straftaten nach deutschem Recht, wird aber in der Praxis auch bei internationaler Rechtshilfe angewandt.

Emma Best zufolge hat die Beschlagnahmung keine größeren Auswirkungen auf die Arbeit der Aktivisten. Von allen Daten existierten demnach Kopien, schrieb Best über ihren persönlichen Account auf Twitter. Der betreffende Server sei lediglich zum Herunterladen des Materials durch die Öffentlichkeit vorgesehen gewesen. Es seien weitere Publikationen in Vorbereitung, und das Material sei bereits an Journalisten weitergegeben worden.

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