Terrorbekämpfung:Darf das BKA spitzeln und schnüffeln wie ein Geheimdienst?

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Der Zugriff auf Computerdaten ermöglicht einen intimen Blick auf die Persönlichkeit eines Betroffenen. (Foto: dpa)
  • Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, welche Maßnahmen zur Terrorbekämpfung das BKA nutzen darf, ohne gegen Grundrechte der Bürger zu verstoßen.
  • Seit 2009 wurden die Befugnisse des BKAs sukzessive erweitert, Politiker begründeten das mit dem Kampf gegen den Terror.
  • Während einzelne dieser Befugnisse schon beurteilt wurden, wird nun über die grundsätzliche Ausrichtung entschieden.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

An diesem Mittwoch verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum BKA-Gesetz - endlich, muss man sagen. Seit bald sieben Jahren liegen die Verfassungsbeschwerden nun in Karlsruhe. Geklagt haben neun Grünen-Politiker sowie eine Gruppe um den einstigen Bundesinnenminister Gerhart Baum, zu der der frühere Zeit-Herausgeber Michael Naumann und - als Anwalt - Baums Streitgenosse Burkhard Hirsch gehören.

Andererseits hat die Frage, welche Überwachungsbefugnisse man in einem freiheitlichen Staat dem Bundeskriminalamt zur Terrorbekämpfung zugestehen darf, nicht an Aktualität verloren - im Gegenteil: Die Anschläge von Paris und Brüssel haben das Thema wieder auf die Agenda gesetzt. Genau genommen ist es nie von der Agenda verschwunden: In den anderthalb Jahrzehnten seit dem 11. September 2001 ist das Ringen um eine rechtsstaatliche Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zum Epochenthema geworden.

Arsenal der Terrorbekämpfung auf dem Prüfstand

Die Anfang 2009 in Kraft getretene Novelle des BKA-Gesetzes ist ein zentrales Element dieser Zeitenwende, die sich unter dem Sicherheitsparadigma vollzogen hat. In bisher nicht da gewesener Weise wurde das BKA zur zentralen, schlagkräftigen Terrorabwehrbehörde aufgerüstet.

Die lange Liste der neuen präventiven Befugnisse, mit deren Hilfe die auch personell gut ausgestattete Institution Terrorgefahren bereits im Vorfeld abwehren soll, klingt schon ziemlich nach Geheimdienst: Der Lausch- und Spähangriff in Wohnungen ist erlaubt, das Einschleusen von Trojanern auf die Festplatte, dazu Rasterfahndung, Telefonüberwachung, Observation.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit vielen dieser Instrumente bereits in früheren Entscheidungen befasst. 2004 hat es die akustische Wohnraumüberwachung an strenge Voraussetzungen geknüpft, 2005 hat es die vorbeugende Telefonüberwachung eingeschränkt und 2008 die Schranken der Online-Durchsuchung formuliert - damals schuf der Erste Senat das sperrig formulierte "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme". Aber noch nie hatte das Gericht das nahezu vollständige Arsenal der Terrorbekämpfung in einem einzigen Verfahren auf dem Tisch.

Mit dem Urteil könnte der Erste Senat - als Berichterstatter ist Johannes Masing zuständig - die Summe aus diesen Entscheidungen ziehen. Bisher hat das Gericht immer den Mittelweg zwischen Sicherheit und Freiheit beschritten. Neue Sicherheitsbefugnisse wurden zwar häufig zurückgeschnitten, doch nie haben die Richter ein Instrument der Terrorbekämpfung für tabu erklärt - wenn man vom kategorisch verbotenen Abschuss entführter Passagierflugzeuge absieht. Lauschangriff, Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung - alles wurde eingeschränkt, aber nichts vollkommen verworfen.

So wird das Urteil auch dieses Mal wieder von den zentralen Themen dieser Rechtsprechung handeln. Dazu gehört der "Kernbereich privater Lebensgestaltung", also das Recht, in den eigenen vier Wänden in Ruhe gelassen zu werden. Das BKA-Mikro und die Kamera in der Privatwohnung rühren an diesen Kern - wie also können intimste Vorgänge vor den Augen und Ohren der Ermittler geschützt werden, ohne die Wohnung zur ermittlungsfreien Zone zu machen?

Die Haltung der Richter: skeptisch

Ganz ähnlich ist die Spannungslage bei der Online-Durchsuchung, denn auch ein Zugriff auf Computerdaten ermöglicht einen intimen Blick auf die Persönlichkeit des Betroffenen. "Auch hier sind die engen Grenzen überschritten, die Karlsruhe erst 2008 gesteckt hatte", sagte Gerhart Baum im Spiegel.

Und schließlich: Was geschieht mit den Daten? Unter welchen Voraussetzungen dürfen sie an ausländische Dienste weitergereicht werden - etwa an die Amerikaner, die damit womöglich die Zielkoordinaten für Drohnenangriffe ermitteln können? Die Haltung der Richter bei der Anhörung im vergangenen Jahr lässt sich in einem Wort zusammenfassen: skeptisch.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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