Berliner Justiz:Vorratsdaten als Beweise

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Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt - doch die Berliner Staatsanwaltschaft will die erhobenen Daten trotzdem nutzen.

Das Urteil schien eindeutig: Anfang März erklärte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig.

Die Provider, die zuvor Verbindungsdaten aus der Telefon-, Mail- und Internetnutzung sowie Handy-Standortdaten für sechs Monate speichern mussten, hatten diese auf Anweisung der Richter sofort zu löschen und auch nicht mehr an Strafverfolgungsbehörden herauszugeben.

So weit, so klar - doch nun findet sich im Urteil des obersten deutschen Gerichts eine Lücke: Was passiert mit Daten, die bereits im Besitz der Behörden sind und in Strafprozessen als Beweise herangezogen werden?

Die Berliner Staatsanwaltschaft will diese Informationen in bestimmten Fällen verwenden, wie aus einer internen Leitlinie hervorgeht, die eine Berliner Anwaltskanzlei im Netz veröffentlicht hat. Es sei "nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zu entscheiden."

Ob ein Richter Beweise aus der Vorratsdatenspeicherung akzeptiert, hängt von der Auslegung des Beweisverwertungsverbots ab: Demnach darf ein Strafurteil nicht aufgrund fehlerhafter Beweise gefällt werden - zum Beispiel Aussagen eines Verdächtigen, der vorher nicht über seine Rechte belehrt wurde.

Einzelfall nicht festgelegt

Die genaue Anwendung im Einzelfall ist im Gesetz nicht festgelegt, allerdings gilt der Verstoß gegen Grundrechte als besonders schwerwiegend. So dürfen zum Beispiel keine Beweismittel wie Tagebuchaufzeichnungen verwendet werden. Ob die Auswertung von Verbindungsdaten als eine ähnlich schwerwiegende Missachtung der Grundrechte zu interpretieren ist, werden die Richter wohl im Einzelfall entscheiden.

Wie die tageszeitung berichtet, sieht Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) keine Probleme in der Leitlinie der Staatsanwaltschaft: Letztlich sei es Sache des Gerichts abzuwägen, ob die entsprechenden Beweise zuzulassen seien. Berliner Grüne und die FDP dagegen fordern, Informationen aus der Vorratsdatenspeicherung nicht zu verwenden.

Ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ist derzeit nicht absehbar, weshalb die Berliner Staatsanwälte nach der Vorstellung ihrer Vorgesetzten Telekommunikationsanbieter schneller um die rechtlich zugelassene Herausgabe von Daten bitten sollen. Dies wird damit begründet, dass "nach derzeitigem Erkenntnisstand die früheren Speicherzyklen (zwischen 7 und 90 Tagen, je nach Provider und Datentypus) wieder aufleben."

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