Studium:Ungarn sagt "Nein" zur Wissenschaft

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Zahlreiche Studierende protestierten gegen das ungarische Hochschulgesetz. (Foto: Bernadett Szabo/Reuters)
  • Das ungarische Parlament hat ein neues Hochschulgesetz verabschiedet.
  • Internationale Universitäten mit einem Träger außerhalb der EU müssen über bilaterale Verträge mit dem Heimatland abgesichert werden und eine Uni im Mutterland betreiben.
  • Das Gesetz trifft unter anderem die von George Soros gestiftete Central European University (CEU).

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Warum diese unziemliche Eile nötig sei bei der Verabschiedung des Hochschulgesetzes, das am Dienstag im Eilverfahren durch das Parlament gepeitscht werden sollte? Das war Ungarns Ministerpräsident am Vorabend der Abstimmung gefragt worden. Wegen der "nervösen Stimmung", sagte Viktor Orbán, aber niemand müsse Angst haben. Man könne sich auf die "guten Absichten ungarischer und US-amerikanischer Führer verlassen".

Nun, die guten Absichten schlugen sich dann am Dienstag so nieder: Während die Sozialdemokraten aus Protest den Plenarsaal verließen, stimmten 126 Abgeordnete für, 38 gegen eine Novelle, die pro forma auf etwa zwei Dutzend Universitäten im Land zielt, aber vor allem eine meint: die Central European University (CEU).

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:"Dieses Land ist total kaputt"

In Ungarn wurde vergangene Woche der umstrittene Verfassungszusatz genehmigt, der unter anderem Studenten verbietet, ihr eigenes Land nach dem Studium zu verlassen. Die Betroffenen sind empört und verzweifelt, deutsche Studenten zeigen sich solidarisch.

Von Charlotte Haunhorst

Die Novelle zum Hochschulunterrichtsgesetz schreibt für internationale Universitäten mit einem Träger außerhalb der EU vor, dass diese in Zukunft über bilaterale Verträge mit dem Heimatland abgesichert werden - und auch eine Universität im Mutterland betreiben müssen. Da die CEU nicht über einen Campus in den USA verfügt, wirkt die Novelle wie maßgeschneidert für die Hochschule mit ihren Studenten aus aller Welt und ihrem internationalen Lehrpersonal.

Die CEU ist in New York registriert, sie vergibt aber Diplome, die in Ungarn wie auch in den USA anerkannt werden. Das sei ein unangemessener Wettbewerbsvorteil gegenüber ungarischen Universitäten, klagte Orbán erst kürzlich - ohne indes zu erwähnen, dass auch der Sitz einer renommierten Universität mit einem anerkannten Postgraduiertenprogramm in Budapest ein Wettbewerbsvorteil für das ganze Land war und ist.

Massive Proteste aus aller Welt gegen die Lex CEU hatten im Vorfeld nichts genützt, nicht die offenen Briefe von Nobelpreisträgern, nicht die Solidaritätsadressen renommierter Universitäten, auch nicht das offene Unverständnis ungarischer Kollegen für das Vorgehen ihrer Regierung. Nicht die Demonstration vom vergangene Wochenende mit ihren zehntausend Teilnehmern, nicht eine Unterschriftenliste mit mittlerweile mehr als 40 000 Unterzeichnern. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte gewarnt, es dürfe Europa nicht egal sein, wenn "der Zivilgesellschaft, selbst der Wissenschaft - wie jetzt an der CEU in Budapest - die Luft zum Atmen genommen werden soll."

Dennoch war die Novelle am Montag sogar noch einmal modifiziert worden, und CEU-Rektor Michael Ignatieff war fassungslos: Noch schärfer seien die neuen Regeln gefasst worden, heißt es in einer Presseerklärung der Universität nach der Abstimmung: Die Fristen zur Anpassung an das neue Gesetz seien verkürzt worden. Und laut der jetzt zur Abstimmung gebrachten Fassung werde ein Abkommen mit den staatlichen Behörden in Washington verlangt, obwohl die US-Verfassung derartiges gar nicht vorsehe.

Aber dass es gar nicht um einzelne Paragrafen geht, das wusste auch die CEU-Spitze. Und so traten Ignatieff und seine Kollegen voller Empörung mit dem Vorwurf an die Öffentlichkeit, dass hier offenbar ein Exempel statuiert und eine ganze Universität diffamiert werde. Orbán untergrabe mit seiner Politik die akademische Freiheit in Ungarn. Auch die US-Botschaft in Budapest schaltete sich mit einer Protestnote ein. Die USA bedauerten das Vorgehen gegen die CEU, die eine erfolgreiche und renommierte ungarisch-amerikanische Einrichtung und eine wichtige Komponente ungarisch-amerikanischer Beziehungen gewesen sei. Man werde sich dafür einsetzen, dass die Hochschule weiter ungehindert in Ungarn arbeiten dürfe.

Womöglich muss die CEU in Budapest bereits im kommenden Jahr schließen

Die CEU ist seit einem Vierteljahrhundert in Budapest angesiedelt. Noch am vergangenen Donnerstag hatte die Bildungsbehörde der Universität attestiert, sie verstoße gegen keinerlei Vorschriften und erfülle nach dem ungarischen Gesetz alle nötigen Bedingungen für die höhere Lehre. Trotzdem wird ihr das Überleben in Budapest nun extrem schwer gemacht. Gut möglich, dass die CEU schon im kommenden Jahr ihre Pforten in Budapest schließen muss. Vilnius in Litauen, auch Wien haben sich bereits als neue Standorte angeboten, aber erst will die CEU-Leitung kämpfen und juristisch gegen die Folgen des Parlamentsbeschlusses vorgehen.

So oder so: Studenten und Wissenschaftler werden mit der aktuellen Entscheidung zur Geisel von Orbáns Krieg gegen den CEU-Gründer George Soros. Der Premier spricht immer nur von der "Soros-Universität", wenn die Rede auf die Hochschule mit ihrem ungarisch-amerikanischen Sponsor kommt. Zuletzt warf er diesem am vergangenen Freitag in einem Radiointerview vor, sich mit der von ihm gestifteten Bildungseinrichtung den Regeln entziehen zu wollen, die für alle gelten müssten. Am Dienstag assistierte Bildungsminister Zoltán Balog im Parlament: "Es ist traurig, dass Soros versucht, Einfluss auf die ungarische Regierung auszuüben." Der Milliardär habe eine weltweite Schmutzkampagne gegen Ungarn initiiert. Die Kraft der Proteste, die sich gegen eine mögliche Schließung der CEU richteten, beweise nur die Kraft dieses unheimlichen Netzwerkes.

An diesem Mittwoch schon steht der nächste Schlag in Budapest bevor: Das Parlament soll über das Gesetz abstimmen, mit dem es von Soros finanzierten Nichtregierungsorganisationen an die Gurgel geht.

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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