Wer in einer nahegelegenen Stadt einen Studienplatz erhält, muss sich entscheiden: Weiter bei den Eltern wohnen - oder den Umzug zum Studienort wagen. Der angehende Akademiker, der im Elternhaus bleibt und zur Universität pendelt, genießt gewisse Annehmlichkeiten - verliert aber auch Zeit und verpasst gute Partys. Studenten sollten sich daher genau überlegen, ob sich ein Auszug nicht doch lohnt.
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Florian Ludwig studiert Englisch und Geschichte auf Lehramt in Heidelberg. Der 23-Jährige pendelt seit fünf Semestern mit Bus und Bahn vom Elternhaus in Karlsruhe zur 65 Kilometer entfernten Uni. Für ihn ist entscheidend, dass er durch das Wohnen im Elternhaus viel Geld spart. "In Heidelberg würde ich für das Geld, das ich ins Semesterticket investiere, kaum eine Monatsmiete zahlen können."
Ein Viertel der deutschen Studenten wohne noch zu Hause, sagt Stefan Grob, Sprecher des Deutschen Studentenwerks in Berlin. Geld sei dabei ein wichtiges Argument. "Viele Studenten sparen sich so den Nebenjob, da die Kosten für Miete und Lebenshaltung wegfallen." Zudem sei der Verbleib im heimischen Nest äußerst bequem. "Die Wäsche wird gewaschen und der Kühlschrank gefüllt", sagt Sonja Eser von der Lernberatung der Universität Augsburg.
Das Wohnen zu Hause biete ein Sicherheitsgefühl, das manche Studenten fürs Lernen bräuchten. Schwierig findet Eser allerdings, dass der Student nicht seine gewohnten Strukturen verlässt. "So wird manchem der Übergang von Schulzeit zu Studium nicht richtig bewusst, und er unterschätzt die Anforderungen."
Dazu sei der Zeitverlust durchs Pendeln meist erheblich, sagt Grob. "Wenn das Pendeln am Tag über zwei Stunden einnimmt, sollte man umziehen. Die Zeit kann man sinnvoller nutzen." Florian Ludwig braucht von seiner Haustür zur Uni eineinhalb Stunden. "Ich wiederhole im Zug häufig Vokabeln oder fülle Übungsblätter aus." Der Geräuschpegel und das Gedränge in der vollen Bahn stören ihn dabei nicht. "Im Zug oder Bus kann man nicht so gut lernen wie im eigenen Zimmer", erwidert Eser. Man werde zu häufig abgelenkt, die Konzentration sei gestört. "Hier bringt ein Umzug mehr Lernzeit ein."
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Durch den Schritt aus dem Elternhaus würden die Studenten auch deutlich selbstständiger, sagt Studienberater Reiner Mund von der Technischen Universität Ilmenau in Thüringen. Geld sollte hierbei keine Rolle spielen: "Es gibt ja Bafög und Wohngeld." Wer weiterhin zu Hause wohne, verpasse oft den Anschluss an die Kommilitonen und das wahre Studentenleben. "Lerngruppen und Sportkurse sind meistens abends, Partys sowieso."
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"Man muss sich mit Kommilitonen austauschen, um zu sehen: Wie sind die Anforderungen, was muss ich noch nachholen?", sagt Lernberaterin Eser. "Das geht besser, wenn ich in der gleichen Stadt wohne." Ist ein Umzug keine Option, sollte man sich schon im ersten Semester Freunde suchen, bei denen man öfters auf der Couch schlafen kann, rät Mund. "Sonst ist man vom Sozialleben schnell ausgeschlossen." "Es ist wichtig, früh zu wissen, wann die letzten Züge fahren", sagt Florian Ludwig lächelnd. "Und oft muss man eben sagen: Leider kann ich nicht mehr mit in die Kneipe oder zum Kochen."
Stefan Grob empfiehlt Studenten als "sanften Ausstieg" aus dem heimischen Nest den Umzug ins Studentenwohnheim. "Es ist günstig, und man wird noch ein wenig bemuttert." Strom, Wasser und Internet sind meist inklusive, Putzfrauen kümmern sich um die Flure, Hausmeister stehen für Reparaturen bereit. "Dazu trifft man hier viele Leute, die auch zum ersten Mal ohne Eltern wohnen." Die Lernbedingungen seien im Wohnheim aber nicht ideal, sagt Sonja Eser. Viele Feiern, dünne Wände, kleine Zimmer: "Da ist es nicht so leicht, aufmerksam zu bleiben."
Sie empfiehlt daher eine Wohngemeinschaft. "So ist es meist ruhiger und man kann abklären, wann man für Lernphasen Ruhe braucht." Auch Florian Ludwig will in den nächsten Semestern umziehen. "Zu Hause ist es schön, aber für die Examensprüfungen würde ich gerne näher an der Uni wohnen." Er hat die ersten Semester vor allem noch im heimischen Nest gewohnt, da er sich nicht sicher war, ob das Studium zu ihm passt. "Wenn man mit dem Gedanken spielt, bald wieder abzubrechen, sollte man mit dem Umzug warten", sagt Stefan Grob.
"Auch für sehr junge Studenten, von 18 bis 20, kann es sinnvoll sein, erst mal zu Hause zu wohnen." Spätestens nach der Hälfte des Studiums sollte man aber den Umzug wagen. "Dann hat man die Aussiebe-Prüfungen hinter sich und weiß: Dabei bleibe ich", sagt Eser. Der Umzug sei für den gesamten Lebensweg wichtig, betont Studienberater Mund. "Unternehmen suchen heute hochflexible Leute, die auch mal den Wohnort wechseln. Nesthocker haben es da schwer."