Rückschlag, Stagnation oder Stabilisierung auf hohem Niveau? Am Dienstag wurden viele Deutungen angeboten zu den deutschen Ergebnissen der Pisa-Studie. Im Vergleich zu den ersten Pisa-Runden darf man diesmal ruhig den Fortschritt betonen: Die Schüler liefern in allen getesteten Fächern Leistungen ab, die über dem Durchschnitt der Industrieländer liegen, auch wenn sie in Naturwissenschaften etwas nachgelassen haben. Und: Mehr Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen schaffen den Aufstieg in die Gruppe der besten Schüler.
Nach dem Pisa-Schock 2001 haben Politik, Lehrer und Experten so manches in Bewegung gesetzt, was sich jetzt auch in Zahlen niederschlägt. Schon richtig: Der Bildungserfolg hängt immer noch zu sehr vom Elternhaus ab und gerade Migrantenkinder schneiden immer noch deutlich schlechter ab als deutsch-deutscher Nachwuchs. Es besteht nicht die Gefahr, dass den Kultusministern nach dieser Pisa-Studie die Arbeit ausgeht. Aber es hat sich was getan.
Pisa 2015:Die Pisa-Studie in acht Grafiken
Wie unterscheiden sich die Leistungen von Jungen und Mädchen? Und wo gibt es die meisten Schulschwänzer?
Die unangenehmen Botschaften finden sich diesmal eher jenseits der Fächer-Rankings, im Beifang der Untersuchung: viele Schüler sind zwar gut in Physik, Chemie oder Biologie, aber desinteressiert. Gerade mal jeder siebte Jugendliche rechnet damit, später einen naturwissenschaftlichen Beruf zu ergreifen (und da sind die Ärzte und Krankenpfleger schon dabei). Damit liegt Deutschland auf dem drittletzten Platz, vor Indonesien. Ähnlich düster sieht es aus, wenn man heimische Schüler nach der Lernfreude in diesen Fächern fragt. Physik, Chemie oder Biologie wecken bei vielen offenbar eher das Grauen als Interesse. Man paukt es, übersteht es - und will dann nichts mehr damit zu tun haben.
Das sind keine guten Nachrichten für ein Land, das von Spitzentechnologie lebt und schon jetzt den Mangel an IT-Fachkräften und Ingenieuren beklagt. Der Auftrag geht hier vor allem an die Lehrer, die gefordert sind, vermeintlich dröge Themen schmackhafter zu servieren. Ein paar zusätzliche Mikroskope oder Museumsbesuche werden da nicht reichen. Auch das zeigt die Pisa-Studie: Hier kommt es auf die Art des Unterrichts an.
Es wäre allerdings zu einfach, das Problem nur bei den Lehrern abzuladen. Das Desinteresse an Naturwissenschaften hat auch etwas mit gesellschaftlicher Skepsis und Wertschätzung zu tun. Wenn Technik vor allem als bedrohlich, schädlich oder nutzlos dargestellt wird, dann verwundert es nicht, dass Jugendliche darin nicht ihre Zukunft sehen. Die meisten Schüler wollen später "etwas Sinnvolles" tun. Vielleicht ist jetzt eine Gelegenheit daran zu erinnern, dass man zur Lösung anstehender Großaufgaben solche Spitzentechnik dringend braucht: Sei es die Energiewende, die Elektromobilität oder die Frage, wie man immer mehr Menschen auf diesem Planeten umweltverträglich ernähren will. Daran mitzuwirken, kann sicher "etwas Sinnvolles" sein.