Religionsfreiheit an Schulen:Wenn Eltern ein Problem mit dem Kopftuch haben

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  • In Bundesländern, in denen Staatsbedienstete seit jeher Kopftuch tragen dürfen, haben sich daraus kaum Probleme ergeben.
  • Die Frage, inwiefern man das Kopftuch an sich schon als Bedrohung wahrnimmt, hat auch damit zu tun, wie gut man Muslime kennt.
  • Das Bundesverfassungsricht hatte das Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen in Nordrhein-Westfalen am Freitag gekippt.

Von Roland Preuß

Es habe durchaus Konflikte um Lehrerinnen mit Kopftuch gegeben, heißt es aus dem Bildungsministerium in Rheinland-Pfalz, aber nicht so, wie man sich das wohl vorstellt. Es ist kein Fall bekannt, in dem eine dieser Lehrerinnen Druck auf Schüler ausgeübt hätte oder in dem Schüler sich unter Druck gesetzt gefühlt hätten durch das Stück Stoff am Kopf. "In den wenigen Fällen, in denen es Probleme gab, hatten sich vor allem Eltern beschwert, vereinzelt auch Lehrerkollegen", sagt Ministeriumssprecher Wolf-Jürgen Karle. Rheinland-Pfalz ist einen anderen Weg gegangen als Nordrhein-Westfalen, dessen Kopftuchverbot für Lehrerinnen am Freitag gekippt wurde. Hier lässt man die Verhüllung Staatsbediensteter zu, so wie in Hamburg, Schleswig-Holstein und allen ostdeutschen Ländern.

Größere Probleme sind daraus nicht entstanden. Und da, wo Streit aufflammt, kann man die Frage stellen, wer dafür verantwortlich ist: die Lehrerin, die ihr Haar verhüllt - oder Eltern und Lehrerkollegen, die sich dadurch provoziert fühlen. Für manche Eltern reiche dies aus für die pauschale Unterstellung, die Pädagogin könne nicht wertneutral unterrichten, sagt Karle. Es geht darum, womit das Kopftuch verbunden wird: mit einem rückständigen Weltbild, Missionierung, einer Vorstellungswelt, die gegen das Grundgesetz stehe.

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So war das Verbot auch politisch begründet worden. Man erwarte von den Lehrerinnen "Mäßigung im Blick auf eine damit nicht auszuschließende politische Botschaft, die mit den Grundüberzeugungen der Verfassung nicht vereinbar ist", sagte zum Beispiel die damalige hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) bei der Einführung des dortigen Kopftuchverbots. Nun, Jahre später, kann man von einem Scheinproblem sprechen. Das zeigt sich auch in Hamburg. Es laufe reibungslos, es sei kein Problem mit kopftuchtragenden Pädagoginnen bekannt, heißt es aus der dortigen Schulbehörde.

In den Ländern ohne Verbot gilt eine andere Grenze, eine, die das Verhalten der Lehrer zum Maßstab nimmt: Sie dürfen in der Schule nicht missionieren oder agitieren. Wer zum Beispiel für eine salafistische Moscheegemeinde oder den Kampf für unterdrückte Palästinenser wirbt, müsste mit einem Disziplinarverfahren rechnen. Dies gilt für jegliche politisch-weltanschauliche Werbung und trifft den christlichen Fundamentalisten im Staatsdienst genauso, wie es Pädagogen treffen würde, die für eine bestimmte Partei trommeln.

Die Frage, inwiefern man das Kopftuch an sich schon als Bedrohung wahrnimmt, hat auch damit zu tun, wie gut man Muslime kennt - und als Normalität wahrnimmt. Ebenfalls am Freitag stellten Forscher der Berliner Humboldt-Universität neue Zahlen dazu vor. Demnach kennen Jugendliche und junge Erwachsene Muslime viel häufiger aufgrund persönlicher Kontakte als ältere Bürger. Für die Jüngeren ist die verschleierte Muslima oft Alltag, 71 Prozent von ihnen sprachen sich für das Recht von Lehrerinnen aus, ein Kopftuch zu tragen. Bei den Älteren gab es dagegen eine Mehrheit von 52 Prozent für ein Verbot. Dies passt gut zu dem Umstand, dass vor allem Eltern gegen das Tuch im Klassenzimmer protestieren, kaum aber die Schüler selbst.

Auch unter Lehrern ist der muslimische Glaube mitunter Anlass für Sticheleien. Das zumindest hat eine Befragung der Universität Bremen ergeben. Dort berichteten Bremer Studentinnen und Referendarinnen von Konflikten, selbst wenn sie kein Kopftuch trugen. "Jetzt kommen die Ayşes auch noch ins Lehrerzimmer und bringen ihren Islam mit", zitiert eine Muslima in der Untersuchung eine ihrer Kolleginnen. Das Bremer Kopftuchverbot ermutige manche Pädagogen offenbar zu solchen Bemerkungen, es fasse das sichtbare Bekenntnis zum Islam als Problem auf, sagt die Professorin für Bildungswissenschaften an der Uni Bremen, Yasemin Karakaşoğlu.

Hinter den jetzt gekippten Verboten steht die Streitfrage, ob der Islam zu Deutschland gehört - und damit auch Kopftuchträgerinnen in staatlichen Schulen unterrichten dürfen. Ob diese mündige Bürgerinnen und verlässliche Beamte sein können? Eigentlich hatten auch die Länder, die das Kopftuch bisher verbieten, diese Frage schon beantwortet: Ja, können sie. Denn im islamischen Religionsunterricht dürfen Lehrerinnen das Kopftuch tragen. Doch gab es selbst da in Schulen Bedenken, etwa als im vergangenen Herbst in Hannover der Islamunterricht startete. Ein Schulleiter beklagte, dass sich Mädchen unter Druck gesetzt fühlen könnten. Die Schülerinnen selbst wurden wieder einmal nicht gefragt.

© SZ vom 14.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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