Die Zahl ist noch alarmierender, als sie auf den ersten Blick wirkt: 26 000 Lehrkräfte könnten bis zum Jahr 2025 an den deutschen Grundschulen fehlen, der Mangel ist zweifellos eklatant. Sprengstoff liegt aber vor allem darin, dass dieser Mangel Deutschlands Bildungslandschaft noch ungleicher und unfairer machen könnte, als sie es ohnehin schon ist.
Der Mangel wird nicht alle Schulen gleichermaßen treffen. Wenn Lehrerinnen und Lehrer händeringend gesucht werden, heißt das auch: Sie können sich ihrerseits die Stelle aussuchen und gehen dann lieber in die Viertel mit bürgerlicher Klientel. Sie machen einen Bogen um die Schulen, in denen Kinder mit Sprachdefiziten sitzen und Eltern nicht wie selbstverständlich am Nachmittag bei den Hausaufgaben helfen können. Man kann es den Lehrern nicht vorwerfen, sie nutzen schlicht ihre Macht auf Arbeitsmarkt.
Brennpunktschulen fällt es schwerer als anderen, Stellen zu besetzen. Sie müssen überdurchschnittlich oft auf Quereinsteiger zurückgreifen. In Berlin zum Beispiel unterrichten an Schulen in Problemkiezen schon jetzt doppelt so viele Quereinsteiger wie an Schulen in besseren Lagen. Es ist zwar ein Klischee, dass die Spätberufenen automatisch die schlechteren Lehrer abgeben würden; viele von ihnen haben durchaus pädagogische Vorerfahrungen und Freude am Umgang mit Kindern, wie eine Untersuchung der TU Dresden vor einigen Jahren zeigte. Quereinsteiger sind keineswegs immer nur die, die gefrustet von ihrem bisherigen Job einfach nur irgendeine sichere Stelle im Staatsdienst wollen. Ihr Image ist oft zu Unrecht schlecht.
Und trotzdem ist es ein Problem, wenn viele von ihnen an den Brennpunktschulen arbeiten. Die Kollegen und Kolleginnen dort haben schon alle Hände voll damit zu tun, den Kindern die Extraförderung zukommen zu lassen, die sie brauchen und verdienen, um gut ins Leben zu starten. Da bleibt oft zu wenig Zeit, um obendrein noch die Kolleginnen anzuleiten, die nicht mit einem vollen Lehramtsstudium gewappnet vor die Klassen treten. Quereinsteiger brauchen besondere Unterstützung, die an den Brennpunktschulen schlicht nicht zu leisten ist.
Die Bildungspolitiker müssen daher nicht nur ihre Stellenprognosen regelmäßiger aktualisieren und ihre Personalplanung verbessern, wie es die Bertelsmann-Stiftung nun fordert. Sie müssen dringend auch dafür sorgen, dass der Lehrermangel nicht weiter vor allem die Schulen trifft, die es schon jetzt schwerer haben. Möglichkeiten gäbe es viele: Man könnte Lehrern Zulagen zahlen, wenn sie freiwillig an Brennpunktschulen unterrichten. Oder aber die Behörden teilen die Lehrkräfte wieder stärker zentral den Schulen zu und verhindern damit, dass Lehrer sich ihren Arbeitsplatz so frei aussuchen können, wie das bisher oft der Fall ist. Beliebt ist das nicht, aber vielleicht nötig.