Bis Freitag müssen die Schüler in Baden-Württemberg und Bayern noch zur Schule, dann dürfen auch sie als die letzten in Deutschland ihre sechs freien Wochen genießen. Für einige ihrer Lehrer ist der Ferienbeginn aber nicht unbedingt ein Grund zur Freude. Ihnen droht über den Sommer die Arbeitslosigkeit.
Das Phänomen ist so absurd wie wiederkehrend: Lehrkräfte mit einem befristeten Vertrag finden sich für sechs Wochen auf dem Amt wieder - ehe sie nach den Ferien mit einem neuen Vertrag wieder anfangen, mitunter sogar an derselben Schule. Die Bildungsminister hatten eigentlich längst Besserung gelobt und angekündigt, ihre Lehrer nicht mehr in die Ferienarbeitslosigkeit zu schicken. "Nach meiner Kenntnis haben die Länder mittlerweile mehr oder weniger scharfe Regelungen erlassen, um einem Missbrauch vorzubeugen", sagte vor einigen Wochen Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU), derzeit Präsident der Kultusministerkonferenz.
Neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, zeichnen ein anderes Bild. Bundesweit sprang die Zahl der arbeitslos gemeldeten Lehrerinnen und Lehrer im August 2018 auf 9102, in der übrigen Zeit des Jahres waren es jeweils nur um die 5000. Die Zahlen bewegen sich damit auf dem Niveau der Vorjahre. Auch für dieses Jahr deutet sich bereits an, dass viele Lehrer über den Sommer kurzzeitig ohne Vertrag sein werden. Etwa 16 700 Lehrkräfte hatten sich im Juni bei den Arbeitsagenturen vorsorglich als arbeitssuchend gemeldet, weil sie fürchteten, im Sommer keinen Job mehr zu haben. Auch hier ist kein Rückgang zu verzeichnen, die Zahl ist ebenso hoch wie im Juni vorigen Jahres. "Es ist unerträglich, dass tausende Lehrkräfte wegen Gehaltseinsparungen von wenigen Wochen nicht ihren wohl verdienten Sommerurlaub genießen können", sagt Susanne Ferschl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, die die Zahlen bei der Regierung erfragt hatte.
Auffällig ist auch, wie oft Lehrkräfte nur einen Zeitvertrag bekommen. Von den 65 000 Lehrerinnen und Lehrern, die im vergangenen Jahr neu angestellt wurden, hatten 79 Prozent einen Vertrag mit Ablaufdatum. Ein befristeter Vertrag ist die Voraussetzung, um Lehrer über die Ferien in die Arbeitslosigkeit schicken zu können.
Zwischen den Ländern gibt es dabei große Unterschiede. In einigen wie etwa Sachsen steigt die Zahl der Lehrer ohne Job über das Jahr kaum an. In anderen schnellt sie im Sommer regelrecht in die Höhe. In Bayern etwa waren im vergangenen August 1000 Lehrer ohne Vertrag, in den übrigen Monaten des Jahres lag der Wert bei um die 400. Am krassesten sind die Ausschläge in Baden-Württemberg, wo im vergangenen August 2000 Lehrerinnen und Lehrer arbeitslos gemeldet waren.
Die Opposition im Stuttgarter Landtag hatte bereits scharfe Kritik an der Praxis geübt. An die Adresse der CDU-Ressortchefin Susanne Eisenmann sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke: "Eine Kultusministerin, die sich anschickt, Ministerpräsidentin werden zu wollen, sollte diesen unwürdigen Umgang des Landes mit seinen befristet beschäftigten Lehrern schleunigst abstellen." Derzeit sieht es nicht danach aus. Im Juni hatten sich im Ländle bereits 1867 Lehrkräfte arbeitssuchend gemeldet - fast 100 mehr als zur selben Zeit im Vorjahr.