Montag ist immer der schwierigste Tag. Am Montag stehen viele Kinder an ihrer Schule unter Spannung, erzählt Astrid-Sabine Busse, aufgeladen von einem Wochenende ohne Bewegung. Hinter vielen liegen zwei lange Tage, an denen sich keiner für sie zuständig fühlte und sie die meiste Zeit vor Bildschirmen hockten. Sie brauchen besondere Aufmerksamkeit. Aber nicht nur an solchen Tagen ist der Job für Pädagogen an der Grundschule in der Köllnischen Heide mehr als Unterrichten, viel mehr. "Viele Kinder brauchen Zuwendung, sie wollen auch mal in den Arm genommen werden." Manche sind zu Hause die Einzigen, die am Morgen aufstehen, sie kommen ohne Frühstück. Da übernehmen Lehrer und Erzieher viele zusätzliche Aufgaben und kümmern sich intensiv um Schüler.
Die Direktorin Astrid-Sabine Busse ist Vorsitzende des "Interessenverbands Berliner Schulleitungen" IBS. Seit 26 Jahren leitet sie die Grundschule in Berlin-Neukölln, und ihr macht die Aufgabe erkennbar Freude. Es ist eine sogenannte Brennpunktschule, eine besonders hohe Zahl der Kinder kommt aus sozial schwachen Familien. Gerade sind fünf erste Klassen eingeschult worden. Busse schwärmt von den leuchtenden Augen der Kinder, die sich aufs Lernen freuen. Schüler an den Brennpunktschulen seien oft besonders wissbegierig und dankbar für die Unterstützung. "Wer sich als Lehrer darauf einlässt, der bleibt auch." Doch das Dilemma ist, dass junge Lehrer nach dem Examen das sehr selten wollen: im Wedding, in Marzahn oder in Neukölln arbeiten. Jetzt will Berlin erstmals mit finanziellen Anreizen gegensteuern.
Im Abgeordnetenhaus wird von den Fraktionen des rot-rot-grünen Senats ein Gesetz vorbereitet, damit Lehrern und Erziehern an Brennpunktschulen Zulagen gezahlt werden können. Geplant sind ab dem Herbst 300 Euro monatlich für die Lehrer an "Schulen in schwieriger Lage". Unter diese Kategorie fallen alle Schulen, an denen mindestens 80 Prozent der Kinder von der Zahlung des Eigenanteils bei der Anschaffung von Lernmitteln befreit sind.
Diese Schüler brauchen in der Regel mehr Aufmerksamkeit, es sind intensivere Kontakte mit Eltern und oft auch Behörden nötig. Neben den Lehrern sollen auch die Erzieher an diesen Schulen im Rahmen der Initiative besser bezahlt werden. Für sie wird über die Änderung der Tarife nachgedacht. Es gehe um die Würdigung der wichtigen Arbeit, sagt die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Maja Lasić. Das Vorhaben soll den Schulen auch helfen, gute Lehrerinnen und Lehrer für sich zu gewinnen.
In Zeiten der bundesweiten Lehrerknappheit gibt es einen harten Wettstreit, selbst die Rektoren versuchen, fair miteinander umzugehen. Am Ende entscheiden die jungen Lehrer eben selbst, welche Offerten sie annehmen. Suchen Berlins Schulen Nachwuchs, wird - so nennt man es tatsächlich - zu "Castings" eingeladen. Nur laufen diese Castings unter ganz anderen Vorzeichen als die berüchtigten Vorspiel-Einladungen von Filmproduzenten, die ihre Schauspieler unter sehr vielen Bewerbern auswählen können - nämlich umgekehrt: In Berlin kämen leicht mal hundert Schulleiter auf dreißig Bewerber, berichtet Astrid-Sabine Busse.
Am Ende würden viele Bewerber es eben vorziehen, an Schulen in bürgerlichen Vierteln zu gehen. Den Brennpunktschulen bleiben oft nur die Seiteneinsteiger, von denen Berlin gerade Hunderte einstellte. Weil so viele qualifizierte Lehrer fehlen, werden Menschen aus anderen Berufen rekrutiert. Sie aber brauchen viel Eingewöhnungszeit und Unterstützung an der Schule, am besten ein erfahrenes Kollegium mit guten Lehrern, und nicht ein Umfeld mit noch weiteren unerfahrenen Seiteneinsteigern.