Bilingualer Unterricht:Zweisprachig unterrichtete Kinder können besser rechnen

Neues Schuljahr

Der Englischunterricht ab der ersten Klasse ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Eine Studie zeigt aber: Wenn etwa die Handarbeitslehrerin mit den Kindern Englisch spricht, trainiert das deren kognitiven Fähigkeiten.

(Foto: picture-alliance/ dpa)
  • Bilinguale Erziehung und Sprachunterricht ab der ersten Klasse sind umstritten. Jetzt bekommen die Befürworter Aufwind.
  • Ein Modellversuch in Bayern hat ergeben: Schüler die teilweise auf Englisch unterrichtet werden, schneiden fächerübergreifend besser ab als andere.
  • Der Autor der Studie erklärt das durch ein besonderes Training für das Gehirn.

Von Paul Munzinger

Englisch ab der ersten Klasse? Türkisch ab der zweiten? Chinesisch ab der dritten? Ob Kinder schon in der Grundschule fremde Sprachen lernen sollen, ist eine Frage, über die sich Erwachsene ausgiebig streiten können. Unbedingt, sagen die einen, je früher desto besser, Englisch wird immer wichtiger, und überhaupt, der chinesische Markt! Bloß nicht, sagen die anderen, bringt nichts und verschwendet kostbare Lernzeit, die den Schülern dort fehlt, wo es wirklich nötig wäre: beim Rechnen, Schreiben und Lesen. Und bei der Sprache, die vielen Kindern immer fremder werde: dem Deutschen. Im Aufwind sind derzeit die Skeptiker - auch weil Grundschüler in mehreren Vergleichstests gerade in den Grundlagen nicht gut abschnitten.

Wissenschaftler der Katholischen Universität Eichstätt haben nun eine Studie verfasst, die den Wind wieder drehen könnte. Zweisprachiger Unterricht auf Deutsch und Englisch in der Grundschule, so ihr Fazit, verbessere nicht nur die Englischkenntnisse - das ist ja das Mindeste -, sondern auch die Leistungen in Deutsch und Mathematik. Heiner Böttger, Professor für die Didaktik der englischen Sprache und Literatur in Eichstätt und Autor der Studie, findet die Befunde in einem Wort: "sensationell".

Seit vier Jahren begleiten Böttger und sein Team einen Modellversuch, an dem in ganz Bayern 21 Schulen und mehr als 900 Schüler beteiligt sind. Der bilinguale Unterricht, den die Kinder dort ab Klasse eins erhalten, geht dabei weit über die sonst übliche Englischstunde in der Woche hinaus. Sie sollen die Fremdsprache "implizit" erlernen, man könnte auch sagen: unterschwellig. Acht oder neun Stunden sind pro Woche dafür vorgesehen, nur dass im Stundenplan nie das Fach Englisch auftaucht. Vielmehr werden Kunst, Sport, Heimat- und Sachunterricht oder auch Mathe in der Fremdsprache unterrichtet, und zwar wie selbstverständlich: ohne Erklärungen, ohne Vokabeln, ohne Grammatik. Ein Lernen in zwei Sprachen soll es sein, ganz so wie bei Kindern, die zu Hause zweisprachig aufwachsen. "Die Kinder verhandeln die Dinge dann mit sich selbst", sagt Böttger.

Kinder wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt

In Vergleichstests schnitten die bilingual unterrichteten Kinder in Deutsch von der dritten Klasse an besser ab als Schüler aus normalen Klassen - was für Böttger die Idee widerlegt, Fremdsprachen nähmen dem Deutschunterricht die Zeit weg. Richtig sei das Gegenteil. Noch deutlicher sei der Vorsprung der "Bilis" in Mathe, hier zeigten sich schon in Klasse zwei prägnant bessere Ergebnisse. Warum?

Wer zwei Sprachen managen müsse, erwerbe ein "kognitives Plus", sagt Böttger. "Das Gehirn wird besser trainiert." Die Klassen seien zufällig ausgewählt worden, betont er - der Vorsprung der Schüler sei also auf die Sprachen zurückzuführen und nicht auf reichere Eltern oder klügere Kinder. Und was mit Englisch funktioniere, könne mit jeder Fremdsprache klappen - im Englischen falle den Kindern der Zugang allerdings besonders leicht.

Und der herkömmliche Englischunterricht in der Grundschule, der so in die Kritik geraten ist? Sei häufig schlecht gemacht, weil den Lehrern die Zeit fehle und vielen die Ausbildung, sagt Böttger. Doch er findet: Selbst eine Stunde pro Woche sei besser als nichts.

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