Bernd Lucke:"Wir denken, so ein Mensch gehört nicht an die Universität"

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Abgang nach der Vorlesung, die keine war: Bernd Lucke. (Foto: Markus Scholz/dpa)

Hörsaal B, Hamburger Uni: Zum ersten Mal steht AfD-Mitgründer Bernd Lucke wieder vor Studierenden. An Makroökonomik II ist an diesem Tag aber nicht zu denken.

Von Bernd Kramer, Hamburg

Bernd Lucke stützt sich aufs Pult, legt den Zeigefinger an die Lippe, sagt kein Wort. Er hatte den Laptop angeschlossen und versucht, seine Präsentation zu starten, aber gleich haben sich Studierende auf die hinteren Bänke gestellt, Regenschirme aufgespannt und vor den Beamer gehalten.

Hörsaal B, ganz oben unter der Dachkuppel im Hauptgebäude der Hamburger Uni, ist bis auf den letzten Zentimeter gefüllt, Protestierer stehen auf den Gängen, der Treppe, der Galerie. Zwei Studenten und eine Studentin klettern auf den Tisch neben Luckes Stehpult und entrollen ein Transparent: "Lucke hat den Schneeball geworfen, der die rechte Lawine ins Rollen gebracht hat", steht darauf. Die drei Protestierer stimmen ein: "Hau ab, hau ab." Sprechchöre. Klatschen im Takt.

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Dann rennt eine Gruppe von der Antifa nach vorn und spannt ihre schwarze Flagge vor Luckes Gesicht auf. Der tritt zur Seite, entkabelt das Headset, faltet seine Jacke und stopft sie in den Rucksack. Man versperrt ihm den Ausgang, er setzt sich zu seinen Studierenden, vierte Reihe von vorn. Papierkugeln fliegen in die Richtung.

An "Makroökonomik II" ist an diesem Tag nicht mehr zu denken. Die erste Vorlesung von Professor Bernd Lucke, Mitgründer und erster Bundessprecher der inzwischen weitgehend offen rechtsextremen AfD, geht unter im Tumult; es kommt sogar zu kleineren Handgreiflichkeiten. Nachdem Lucke mit der AfD gebrochen und im Mai den Wiedereinzug ins Europaparlament verpasst hatte, ist er nun zurück auf seinem alten Lehrstuhl an der Uni Hamburg. Darf Lucke nach seiner umstrittenen politischen Karriere so einfach zurück in die Forschung und Lehre?

Für Karim Kuropka, den Vorsitzenden des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta), ist die Antwort klar: "Wir denken, so ein Mensch gehört nicht an die Universität", hatte er am Morgen bei einer Protestkundgebung vor dem Hauptgebäude vor vielleicht 200 bis 300 Zuhörern gesagt. Seit Wochen ringt man an der Uni; der Asta erklärt, er sei bereits im Vorfeld mit rechten Hassmails überflutet worden.

"Ich werde Ihnen nicht das Megafon überreichen"

An seiner Alma Mater versucht der Rückkehrer das Bild zu verbreiten, er habe das Abdriften der Partei an den ganz rechten Rand stets zu verhindern versucht. Den Studierenden seiner Einführungsvorlesung schickte er vergangene Woche eine Dokumentensammlung, 93 PDF-Dateien, Beschlüsse, Zeitungsartikel, E-Mail-Korrespondenzen mit sorgsam geschwärzten Empfängerzeilen, eine Sammlung von fast manischer Akribie, die ihn entlasten soll. "Der Asta wirft mir vor, in meiner Zeit als Bundessprecher der AfD 'skrupellos rechte bis rechtsextreme Positionen' in Kauf genommen zu haben", heißt es in der Mail an die Vorlesungsteilnehmer, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt: "Das ist ein völlig haltloser Vorwurf - das Gegenteil ist wahr."

Das Konvolut hat Lucke auch dem Asta geschickt: Seht her, mich trifft keine Schuld, das suggeriert die Sammlung. Doch in den Augen seiner Kritiker macht Lucke es sich mit seinem Totalfreispruch zu einfach. Für den Asta-Vorsitzenden Kuropka hat Lucke den Rechtskurs der AfD zumindest lange geduldet - bis er wegen interner Machtkämpfe mit der Partei brach, was er als inhaltliche Differenz verbrämte. Am Donnerstag will Lucke sich mit den Studierendenvertretern treffen und über seine Rolle in der AfD diskutieren. Eigentlich habe er schon für Anfang Oktober ein Gespräch vorgeschlagen, schreibt er der SZ: "Aber der Asta hatte vor der Protestaktion keine Zeit." Eine Asta-Sprecherin sagt, die Einladung sei zu kurzfristig gekommen, das Gesprächsangebot nehme man aber gern an.

Ein Gespräch findet in Hörsaal B am Mittwoch nicht statt. Vorn am Pult vertreiben sich zwei Demonstranten die Zeit mit einer Partie auf einem Reiseschachbrett. Ein Student sagt in ein Megafon, Lucke habe nun die Gelegenheit, den Saal friedlich zu verlassen. Lucke steht auf, stemmt die Hände in die Hüfte, will offenbar etwas sagen, zum ersten Mal, vergebens. "Ich werde Ihnen nicht das Megafon überreichen", sagt der Student.

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